Der Flüchtlingsrat Schleswig-Holstein ist entsetzt über die offenbar menschenverachtende Entscheidung und die Umstände der Durchführung. Die nächtliche Abschiebung aus einer laufenden stationären Behandlung heraus ist in mehrfacher Hinsicht ein Tabubruch und bedarf dringend einer sorgfältigen Überprüfung auf allen Ebenen. Das Segeberger Vorgehen zeigt unter anderem, was die vielfach kritisierte, unbedacht restriktive Gesetzgebung zur „Beweislast“ bei Abschiebungshindernissen aus gesundheitlichen Gründen anrichten kann. Aus anderen Bundesländern sind hier längst konstruktive Erlasslagen bekannt.
Die früher vergleichsweise großzügige Asylpolitik in Schweden hat in den letzten Jahren einen Umschwung erfahren hin zu einer zunehmend restriktiven und abschreckenden Asylpolitik. Zeitweise wurden Abschiebungen nach Schweden eingestellt, weil systemische Mängel des Asylverfahrens anzunehmen waren. Die Abweisung des Asylantrags einer wegen Homosexualität gefährdeten, weiblichen Person nach Tunesien, ein Land, in dem Homosexualität strafbar und weitverbreitet diskriminiert und sozial geächtet ist, stellt einen weiteren Höhepunkt dar.
Es ist beschämend genug, wenn unter diesen Umständen das Bundesamt für Migration und Flüchtlinge offenbar nicht auf ein Abschiebungsverbot nach Schweden erkannt hat.
Eine Abschiebung bei bestehender Suizidgefahr und laufender Behandlung in einer Klinik zur Nachtzeit aber ist auch der Flüchtlingsbeauftragten der Nordkirche ein Skandal, und das nicht nur der Betroffenen gegenüber, sondern auch wegen der Rücksichtslosigkeit im Hinblick auf die Belastung der weiteren Patienten und des Klinikpersonals. Hier bedarf es unbedingt eines geschützten Raumes.
Es ist nicht bekannt, inwieweit die Behörden des Kreises Segeberg bei der Abschiebungsentscheidung und -durchführung einer Rolle gespielt haben. Verwunderlich wäre es nicht. Der Kreis Segeberg ist seit Jahrzehnten für ein ausgesucht restriktives ausländerrechtliches Verwaltungshandeln bei Betroffenen, Migrationsfachdiensten und auch öffentlichen Stellen bekannt und ist in der Vergangenheit schon mehrfach durch rigorose Abschiebungen teils schwerkranker Menschen aufgefallen.
Die inzwischen aus dem Sozialministerim bekannt gewordene Überarbeitung der Erlasslage kommt im Fall der betroffenen Frau aus Tunesien zu spät - und muss sich in ihrer Wirksamkeit bei anderen Fällen erst noch beweisen. Die betroffene Tusesierin sitzt nach erfogter Rücküberstellung aus Deutschland nach Verlauten in schwedischer Abschiebungshaft und ist im Hungerstreik.
Der Flüchtlingsrat fordert die Rückholung der Betroffenen aus Schweden und den Selbsteintritt in ein Asylverfahren seitens des BAMF.
gez. Martin Link, Flüchtlingsrat Schleswig-Holstein e.V., office[at]frsh.de