Leuchtturm des Nordens 2017 geht an die Unterstützergruppe "Kirchbarkau hilft"
Kritische und nachdenkliche Beiträge bei der Preisverleihung in Kirchbarkau
Die Initiative "Kirchbarkau hilft" ließ anlässlich ihrer Ehrung durch den Flüchtlingsrat am Internationalen Tag der Menschenrechte den Kampf um Bleiberecht und Rückkehr der albanischen Familie C. Revue passieren und forderte einen anderen politischen und administrativen Umgang mit Geflüchteten.
Die Kirchbarkauer St. Katharinen-Kirche war bis zum letzten Platz gefüllt beim Themengottesdienst anlässlich des Internationalen Menschenrechtstages am 10. Dezember. Und gut 100 Personen - darunter die Plöner Landrätin Stephanie Ladwig, Wolfgang Polakowski vom Kieler Innenministerium und die Landtagsabgeordnete Aminata Touré, waren der Einladung zur anschließenden Verleihung des Leuchtturms des Nordens an die Flüchtlingsinitiative "Kirchbarkau hilft" in das sehr idyllisch am See gelegene Gemeindehaus der Kirchengemeinde gefolgt.
"Schön ist es hier. Da mag man gerne Urlaub machen", bekannte Martin Link, Geschäftsführer des Flüchtlingsrates Schleswig-Holstein, der den undotierten Preis Leuchtturm des Nordens in diesem Jahr zum 13. Mal überreichte. "Aber Flüchtlinge machen keinen Urlaub", mahnte Link. "Sie sind gekommen, um zu bleiben!"
Dass Geflüchtete bei ihrem Bemühen zu bleiben, im besten Fall nicht allein gelassen sind, habe die Gruppe "Kirchbarkau hilft" eindrucksvoll bewiesen, betonte Gudrun Rössig, die für den Vorjahrespreisträger, das Lübecker Solizentrum, die Laudatio auf die diesjährigen Preisträger*innen hielt: "Sie bilden einen Kreis um eine albanische Familie, die vor Gewalt, Korruption und Unrecht zu uns, hier nach Schleswig-Holstein gekommen ist" lobt Rössig die Initiative. "Sie reichen ihnen die Hände für alles, was nötig ist: Willkommen, Nachbarschaft, Hilfe, Freundlichkeit und Unterstützung beim Kampf mit Ämtern und Behörden."
Dieses Engagement sei beständig geblieben, selbst nachdem die Familie dennoch im Spätsommer dieses Jahres nach Albanien abgeschoben worden sei. Gudrun Rössig ist beeindruckt davon, "dass Sie es geschafft haben für Pellumb, Mimoze, Amanda, Arba, Denis und Damian C. fünf Bürgen und weitere 22 finanziell Unterstützende zu finden, die sich für fünf Jahre verpflichten, den Lebensunterhalt zu sichern, damit Familie C. mit einem Ausbildungsvisum nach Kirchbarkau zurückkehren kann."
Inzwischen bekenne sich selbst die Plöner Ausländerbehörde zur Rückkehr der Familie und trägt das ihr mögliche dazu bei, konnte man Äußerungen von Landrätin Ladwig gegenüber anwesenden Journalisten entnehmen.
Das sei indes nicht immer so gewesen, bedauert Marie Charlotte Wahl von der Gruppe "Kirchbarkau hilft". Der Fall der Familie C. sei in deutschen Gesetzen nicht vorgesehen. „Von amtlicher Seite gab es keinerlei Willen, den behördlichen Ermessensspielraum zu nutzen. Im Gegenteil: der Umgangston der Menschen in der Behörde war zumeist herablassend, oft geradezu unfreundlich“, erinnert sich Wahl. Trotz der vielfältigen Integrationsleistungen der gesamten Familie und eines laufenden Ersuchens bei der Härtefallkommission sei die Abschiebung von der unbeeindruckten Kreisbehörde im vergangenen Spätsommer in unverhältnismäßiger Weise vollstreckt und damit Eltern und Kinder ein zweites Mal schwer traumatisiert worden.
Simon Rützel-Grünberg, ebenso wie Wahl Mitglied bei "Kirchbarkau hilft", mahnte einen rechtspolitischen Paradigmenwechsel an. Damit sich solche, wie der Fall der Familie C. nicht wiederholten, bedürfe es eines kritischen Nachdenkens über die geltende Gesetzeslage. Es bedürfe eines Spurwechsels, der Asylsuchenden die Möglichkeit gäbe, aus dem für einige bis dato alternativlosen Asylverfahren in eine andere aufenthaltsrechtliche Bleibeperspektive zu wechseln. Ebenso müsse aber den zuständigen Verwaltungen mehr positives Ermessen und Möglichkeit zur eigenständigen Würdigung der Umstände des Einzelfalls eingeräumt werden.
Zuvor hatte Martin Link die von Teilen der Politik befeuerte seines Erachtens unseriöse Diskussion über ein angeblich bestehendes Vollzugsdefizit bei Aufenthaltsbeendigungen von im Asylverfahren Erfolglosen kritisiert: „Insbesondere solche vom Bundesinnenministerium behaupteten monströsen Zahlen, wie die für Ende dieses Jahres prognostizierten 485.000 angeblich ausreisepflichtigen Geflüchteten, führen zu einem unverhältnismäßigen und allzu oft ermessensnegativen Aktionismus in den Ausländerbehörden.“
Tatsächlich seien im vergangenen September bundesweit nur 230.000 Ausreisepflichtige gezählt worden, davon nur die Hälfte abgelehnte Asylsuchende, von denen wiederum 70 Prozent eine Duldung erteilt worden sei, weil ihre Ausreise aus von ihnen nicht verschuldeten Gründen nicht möglich sei.
Obwohl von Januar bis September dieses Jahres nur 34.000 Personen eine Ausweisungsverfügung erhalten hätten, sei im selben Zeitraum der Aufenthalt von 38.000 (in Schleswig-Holstein 1.675) beendet worden. "Angesichts dieser im europäischen Vergleich unvergleichlich hohen Abschiebungsquote von 106 Prozent kann von einem Vollzugsdefizit nun wirklich keine Rede sein", befindet Martin Link.
Doch selbst mit Blick auf eine gleichzeitig zunehmend kritische Bewertung bürgerschaftlicher Bleiberechtsinitiativen durch Teile der Politik, die zum Beispiel ganz aktuell in Gestalt der Innenministerkonferenz des Bundes und der Länder sich nicht scheuen, sogar Kirchengemeinden für ihren humanitären Einsatz für ohne Zweifel rückkehrgefährdete Flüchtlinge beim Kirchenasyl zu maßregeln, bleibt Martin Link zuversichtlich.
"Die bürgerschaftlich engagierten Initiativen, Nachbarn und Freundeskreise, Schulkameraden, Arbeitskolleginnen und Kollegen und nicht zuletzt die ihrem Evangelium und einer rechtverstandenen humanitären Verfassungstreue verpflichteten Gemeinden lassen sich nicht so einfach ins Bockshorn jagen", erklärt Link.
Und weil das so sei, könnten sich Menschen, die die Angst hierher getrieben habe, die berechtigte Sorge vor der Rückkehr umtreibe, darauf verlassen, dass sie im Labyrinth der Paragraphen und gegenüber bisweilen wenig emphatischen Bürokratien auch künftig nicht allein gelassen würden.
"Stellvertretend für viele, die an zahlreichen anderen Orten in unserem Bundesland an ganz ähnlichen Fronten kämpfen, möchten wir deshalb heute, am Internationalen Tag der Menschenrechte, die Unterstützergruppe 'Kirchbarkau hilft' mit dem Leuchtturm des Nordens auszeichnen", erklärt Link abschließend.
Der „Leuchtturm des Nordens“ wird vom Flüchtlingsrat Schleswig-Holstein seit 2005 jedes Jahr am Internationalen Tag der Menschenrechte an Personen oder Gruppen vergeben, die sich durch hohes Engagement in der solidarischen Flüchtlingshilfe auszeichnen.
Hintergrund:
Seit 2005 wird der undotierte Preis „Leuchtturm des Nordens“ vom Flüchtlingsrat Schleswig-Holstein e. V. an Personen oder Gruppen vergeben, die sich durch hohes Engagement in der solidarischen Flüchtlingsarbeit auszeichnen. Zu den bisherigen Preisträger*innen gehörten unter anderem Flüchtlingsinitiativen in Husum und Neumünster, aber auch der ehemalige Vertreter des UNHCR in Deutschland, Stefan Berglund, und die langjährige Flüchtlingsbeauftragte der Nordkirche, Fanny Dethloff.
Die Kieler Nachrichten haben über die Preisverleihung berichtet.