Am 23. Mai findet in Berlin eine feierliche Veranstaltung zum Tag des Grundgesetzes in Anwesenheit von Bundespräsident Steinmeier und Bundesinnenministerin Faeser statt. In der Veranstaltung wird Halima Gutale, Vorstandsmitglied der Bundesarbeitsgemeinschaft PRO ASYL, als eine Botschafterin für Demokratie und Toleranz ausgezeichnet.
Gleichzeitig plant dieselbe Bundesinnenministerin am 8. Juni mit ihren Kolleg*innen aus allen EU-Mitgliedsstaaten für den Abgesang auf das Asylgrundrecht und den Schutzanspruch Verfolgter aus nichteuropäischen Drittstaaten, wie Halima Gutale, zu sorgen.
Flüchtlingsrat SH und PRO ASYL gratulieren der neuen Botschafterin für Demokratie und Toleranz im Jahr 2023 herzlich. Halima Gutale wird am 23. Mai im Rahmen einer feierlichen Veranstaltung im Berliner Ensemble (Bertolt-Brecht-Platz 1, 10117 Berlin) ab 14 Uhr unter Anwesenheit des Bundespräsidenten und der Bundesinnenministerin ausgezeichnet.
Andreas Lipsch, Vorsitzender der Bundesweiten Arbeitsgemeinschaft PRO ASYL würdigt das jahrelange Engagement von Halima Gutale: "Es ist großartig und ermutigend, dass Menschen, die als Geflüchtete gekommen sind, heute mit uns zusammen Demokratie und Menschenrechte verteidigen."
Halima Gutale hat sich herausragend für Menschenrechte und Demokratie engagiert und klare Kante gegen die um sich greifende rassistische Grundhaltung in Deutschland gezeigt.
„Das Grundgesetz spricht aus gutem Grund von der ‚Würde des Menschen‘, die es zu achten, zu schützen und zu verteidigen gilt. Es spricht nicht allein von der Würde des europäischen bzw. deutschen Staatsbürgers“, erinnert Martin Link, Geschäftsführer des Flüchtlingsrats Schleswig-Holstein. Es gäbe keine Menschenwürde erster und zweiter Klasse. Genauso wenig dürfe es europäische Geflüchtete erster – wie aus der Ukraine – und Geflüchtete aus nichteuropäischen Drittstaaten zweiter Klasse geben.
„Wenn heute in Berlin Repräsentant*innen des Staates das Grundgesetz loben und feiern, appellieren wir an sie, die Pläne zur Entrechtung Schutzsuchender an den EU-Außengrenzen abzulehnen," betont Andreas Lipsch.
Vor 30 Jahren mit dem sog. „Asylkompromiss“ das Asyl-Grundrecht entkernt, und nun sollen an den EU-Außengrenzen für nichteuropäische Schutzsuchende die Schotten dichtgemacht werden?
Kontakt:
- PRO ASYL, presse[at]proasyl.de, T. 069-24231430
- FRSH e.V., public[at]frsh.de, T. 0431-55685640
Anlage:
Offener Brief „Verteidigen Sie die Würde des Menschen und das Recht auf Asyl an den EU-Grenzen!“ vom 23.5.2023
In einem offenen Brief am 23. Mai 2023 appellieren die Botschafterin Gutale und der Vorsitzende der Bundesweiten Arbeitsgemeinschaft PRO ASYL Lipsch an die Bundesregierung, die Grund- und Menschenrechte in Deutschland und in der Europäischen Union zu verteidigen und Grenzverfahren an den EU-Außengrenzen nicht zuzustimmen. Denn in diesen werden Anträge auf Schutz als unzulässig abgelehnt und Betroffene ohne Prüfung ihrer Schutzgründe in nicht sichere Drittstaaten zurückgeschickt.
Wortlaut des Offenen Briefes:
An
Herrn Bundeskanzler Scholz
Frau Ministerin Faeser
Frau Ministerin Baerbock
Herrn Minister Buschmann
Frankfurt am Main, 23. Mai 2023
Verteidigen Sie die Würde des Menschen und das Recht auf Asyl an den EU-Grenzen!
Sehr geehrter Herr Bundeskanzler Scholz, sehr geehrte Frau Ministerin Faeser,
sehr geehrte Frau Ministerin Baerbock, sehr geehrter Herr Minister Buschmann,
vor 30 Jahren wurde nach einer emotional hochgeheizten, rassistisch geführten politischen Debatte das Grundrecht auf Asyl entkernt. Heute droht noch Schlimmeres zu geschehen. An den Grenzen der EU sollen nun Menschen inhaftiert und zurückgeschickt werden. In Grenzverfahren droht die Massenabfertigung. Asylanträge sollen als unzulässig zurückgewiesen werden, wenn die Schutzsuchenden über einen angeblich sicheren Drittstaat einreisen. Die Kriterien, wann ein Staat als sicher gilt, sollen dafür weiter heruntergeschraubt werden. Selbst Staaten, die nur in Teilgebieten "sicher" sind und noch nicht einmal die Genfer Flüchtlingskonvention garantieren, sollen im EU-Rat, nun unterstützt von dieser Bundesregierung, als sicher gelten. In Grenzverfahren werden Möglichkeiten der Zurückschiebung geprüft, nicht die Fluchtgründe. Grenzverfahren sind keine fairen sorgfältigen Asylverfahren.
Diese Pläne sind ein Angriff auf die Genfer Flüchtlingskonvention, die Europäischen Menschenrechtskonvention und die EU-Charta der Grundrechte. Die Würde des Menschen gilt für jede und jeden – nicht nur für die Staatsbürger*innen der EU.
Wir appellieren an die Bundesregierung: Verteidigen Sie die Grund- und Menschenrechte in Deutschland und in der Europäischen Union. Stimmen Sie Grenzverfahren an den EU-Außengrenzen nicht zu. Denn in diesen werden Anträge auf Schutz als "unzulässig" abgelehnt und Betroffene ohne Prüfung ihrer Schutzgründe in nicht sichere Drittstaaten zurückgeschickt.
Mehr als 50 Menschenrechtsorganisationen, Seenotrettungsorganisationen, Wohlfahrtsverbände und kirchliche Organisationen sind enttäuscht von der kürzlich bekannt gewordenen Position der Bundesregierung zu diesen Vorhaben und appellieren in einem gemeinsamen Statement vom 16. Mai 2023: "Anstatt sich dem Trend der Entwertung europäischer Grund- und Menschenrechte und der Erosion rechtsstaatlicher Grundsätze entschieden entgegenzustellen, signalisiert die Regierung mit ihrer Position die Bereitschaft, diesen Weg um jeden Preis mitzugehen."
Mit Blick auf das Treffen der EU-Innenminister*innen am 8. Juni 2023 appelliert das Bündnis an Innenministerin Nancy Faeser (SPD), ihrer menschenrechtlichen Verantwortung gerecht zu werden und ihren eigenen Koalitionsvertragernst zu nehmen. Es darf keine Kompromisse auf Kosten des Flüchtlingsschutzes geben.
Zur Situation auf dem Mittelmeer, an und vor Europas Grenzen
Über Tausende Menschen sind bereits in diesem Jahr beim Versuch über das Meer die EU zu erreichen gestorben. Die Lebensrettung durch zivilgesellschaftliche Organisationen wird systematisch behindert. Einen robusten EU- Seenotrettungsdienst und vor allem reguläre Fluchtwege gibt es nicht, um das Massensterben im Mittelmeer zu beenden.
Auch diese Regierung rüstet auf gegen Schutzsuchende, finanziert Zäune mit Stacheldraht, unterstützt mit EU-Geldern den Bau von Elendslagern und das Zurückschleppen in die Folterlager in Libyen. Die Europäische Union und die Bundesregierung leisten so Vorschub, dass Frauen dort versklavt und vergewaltigt werden. Wir vermissen klare Worte dieser Bundesregierung, insbesondere der Außenministerin, die eine feministische Außenpolitik betreiben wollte und eine am Koalitionsvertrag ausgerichtete Flüchtlingspolitik der Innenministerin.
Wir appellieren an Sie: Halten Sie den Koalitionsvertrag ein. Sie haben versprochen: Asylanträge werden inhaltlich geprüft. Grenzverfahren gewährleisten dies nicht. Verteidigen Sie die Würde des Menschen und das Recht auf Asyl!
Mit freundlichen Grüßen
Halima Gutale
Botschafterin für Demokratie und Toleranz und Vorstand der Bundesarbeitsgemeinschaft PRO ASYL
Andreas Lipsch
Vorsitzender der Bundesarbeitsgemeinschaft PRO ASYL