Der Flüchtlingsrat Schleswig-Holstein und PRO ASYL widersprechen entschieden der öffentlichen Behauptung von Bundeskanzlerin Angela Merkel vom 6. Juni, man könne aufgrund des Lageberichts des Auswärtigen Amtes vom Mai 2018 verstärkt nach Afghanistan abschieben.
„Das Gegenteil ist der Fall“, mahnt Martin Link, Geschäftsführer beim Flüchtlingsrat in Kiel. Der aktuelle Lagebericht entziehe allen Forderungen nach einer härteren Abschiebepraxis in das Kriegs- und Krisenland die Legitimation.
Mit der vorgenommenen Neubewertung des sogenannten »internen Schutzes« kann die Behauptung inländischer Schutzalternativen in Afghanistan nicht mehr aufrechterhalten werden. Hieraus folgt, dass auch die pauschalisierte Ablehnung zahlreicher Asylanträge durch das Bundesamt für Migration und Flüchtlinge (BAMF) unter Verweis auf diese Behauptung enden muss.
In den letzten beiden Jahren ist die Ablehnung afghanischer Asylsuchender rapide gestiegen – in der Regel begründet mit dem Hinweis, Verfolgte hätten an einem anderen Ort in Afghanistan Schutz finden können (Ausweichmöglichkeit). Im Jahr 2017 wurden die Anträge von 56.316 Afghaninnen und Afghanen abgelehnt. Vom 01.01. bis 30.04.2018 waren es 3768. Die Ablehnungsquote stieg von 22,3 Prozent im Jahre 2015 auf 39,4 Prozent im Jahre 2016 und auf 52,6 Prozent im Jahre 2017. Aus 2017 sind noch 71.342 Gerichtsverfahren zu Afghanistan anhängig (Bundestagdrucksache 19 /1371).
Bislang wurde pauschal behauptet, junge afghanische Männer könnten zurückkehren und in Großstädten am Rande des Existenzminimums leben. Obwohl verfolgt, wurden sie im Asylverfahren abgelehnt, die Abschiebung angedroht. Das AA spricht nun davon, dass die Absorptionsfähigkeit der genutzten Ausweichmöglichkeiten, vor allem im Umfeld größerer Städte, durch die hohe Zahl der Binnenvertriebenen und der Rückkehrer aus dem Iran und Pakistan bereits stark in Anspruch genommen sei. Ausweichmöglichkeiten hingen vom Grad der sozialen Verwurzelung, der Ethnie und der finanziellen Lage ab. Für eine Vielzahl der nach Deutschland geflohenen Afghan*innen gibt es deshalb nun auch regierungsamtlich festgestellt keine Ausweichmöglichkeit – weder in Kabul, dem Zielort der Abschiebungen, noch mangels sicherer Reisewege in der Herkunftsregion oder anderswo in Afghanistan. Die sogenannten inländischen Ausweichmöglichkeiten gibt es für die Betroffenen in der Realität schlichtweg nicht und sie wären auch nicht erreichbar.
Der Flüchtlingsrat Schleswig-Holstein fordert die Bundeskanzlerin und die Landesregierungen zur genauen Lektüre des aktuellen Afghanistan-Lageberichts des Auswärtigen Amtes auf. Nicht Abschiebungen, sondern ein sofortiger und ausnahmsloser Abschiebungsstopp muss darauf folgen!
Mehr Informationen zur prekären Lage in Afghanistan werden auf der Web-Seite des Flüchtlingsrats SH laufend aktualisiert: <link artikel updated-abschiebungen-nach-afghanistan>
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gez. Martin Link, T. 0431-735 000, public@frsh.de