Hier bestehen für die betroffenen Flüchtlinge ggf. nicht allein Risiken in Zwangs- oder Missbrauchslagen zu geraten. Darüber hinaus gilt u.E. zu bedenken, dass Flüchtlinge allzuoft nicht nur durch Fluchtgründe traumatisiert sind und darüber hinaus i.d.R. eine langwierige Fluchtodyssee hinter sich haben, die mit allen möglichen dramatischen und psychisch belastetenden Szenarien einher gegangen ist.
Diese entwurzelten Menschen benötigen ganz besonders einen Ort, an dem sie sich angekommen, in ihrer Privatsphäre geschützt fühlen und - nach Möglichkeit mit Unterstützung öffentlicher Stellen und der Zivilgesellschaft - ein eigenständiges Leben beginnen können.
Vor diesem Hintergrund haben wir den Aufruf des schleswig-holsteinischen Innenministers Stefan Studt auch nicht so verstanden - wie jüngst in der Presse und in Stellungnahmen aus der Politik verlautet - dass Bürgerinnen und Bürger aufgefordet sind, ihre von ihnen bewohnten Wohnungen für Flüchtlinge zu öffnen.
Zielführend ist der Aufruf allenfalls so verstanden, dass Personen, die als EigentümerInnen oder in Kenntnis von freien und ggf. für Flüchtlinge verfügbaren Wohnungen Dritter diese an die Zuständigen in den Kommunen und Gemeindeverwaltungen melden. Daraufhin könnten Verwaltungen, die bis dato nicht über diesen Leerstand informiert waren, den Kontakt mit den EigentümerInnen aufnehmen und bei Eignung der Wohnungen ggf. in der Folge Flüchtlinge an diese Adressen zuweisen.
gez. Martin Link
Zum Thema:
Dokumentation eines Artilels aus der LN vom 13.10.2014:
Minister appelliert an Bürger: Flüchtlinge privat aufnehmen
Schleswig-Holsteiner sollen freie Wohnungen an ihre Kommunen weitermelden.
Schleswig-Holstein. Angesichts wachsender Flüchtlingszahlen aus Kriegsgebieten appelliert Schleswig-Holsteins Innenminister Stefan Studt (SPD) an Privatpersonen, bei der Unterbringung von Flüchtlingen zu helfen. Bürger könnten freie Wohnungen an ihre Kommunen melden.
Land, Kreise, Städte und Gemeinden mobilisierten derzeit alle Kräfte, um die ankommenden Menschen im Norden angemessen unterzubringen und zu versorgen. „Bei dieser großen Aufgabe kann auch jeder einzelne Bürger helfen“, sagt Studt. Die Idee, Flüchtlinge privat aufzunehmen, findet überwiegend Zustimmung.
„Weil es integrationsfördernder ist, halten wir die Unterbringung in privaten Wohnungen grundsätzlich für besser als in Sammelunterkünften“, sagt Martin Link vom Flüchtlingsrat Schleswig-Holstein. Es sei eine tolle Sache, wenn Bürger ihre freien Wohnkapazitäten zur Verfügung stellten. Die gemeinsame Unterbringung von Flüchtlingen und Bürgern in ein und derselben Wohnung hält Link jedoch für hochproblematisch. Er befürchtet, dass Flüchtlinge dann als Hilfskraft ausgenutzt werden könnten.
Auch müsse der Aufenthaltsort von Migranten eine gute Infrastruktur haben, etwa Schulen, Ärzte und Arbeitsplätze bieten. Dem Flüchtlingsrat sind leerstehende Ferienwohnungen auf dem platten Land bereits vereinzelt angeboten worden, weit ab vom Schuss. „Bei solchen Angeboten sind wir sehr zurückhaltend“, berichtet Link.
Die grüne Landtagsfraktion hält es dagegen für eine sympathische Idee, dass Bürger Flüchtlinge sogar direkt in ihrer eigenen Wohnung aufnehmen. „In der Regel sind das sehr freundliche, aufgeschlossene und intelligente Menschen aus dem Mittelstand, die zu uns kommen“, sagt der Grüne Burckhard Peters. Mit dem persönlichen Kontakt sei der Flüchtling oftmals kein Ausländer mehr.
„Integration geht dann viel einfacher.“ Für Ralf Stegner (SPD) ist wichtig, dass bei der Unterbringung wichtige Standards garantiert werden, für die CDU, dass es zu keiner Zwangsaufnahme kommt. Astrid Damerow: „Wenn Schleswig-Holsteiner Flüchtlinge freiwillig bei sich aufnehmen wollen, dann ist das durchaus zu begrüßen.“ Allerdings sei als allererstes der Staat und nicht die Zivilgesellschaft gefordert, für ausreichende Kapazitäten zu sorgen. Innenminister Studt: „Ich bin sicher, dass es in unserer Bevölkerung eine große Hilfsbereitschaft bei der Unterbringung von Flüchtlingen aus Kriegsgebieten gibt.“
Unbürokratische Lösungen seien zwar gut, heißt es beim Landesverband von Haus&Grund. Eigentümer bräuchten aber vertragliche Absicherungen. Eine Ferienwohnung dürfe am Ende nicht dauerhaft zu einer Asylbewerberunterkunft werden. Für Wolfgang Kubicki (FDP) offenbaren die jetzigen Appelle „die staatliche Konzeptionslosigkeit“.
Curd Tönnemann