Der Flüchtlingsrat Schleswig-Holstein protestiert gegen politische und mediale Instrumentalisierungen der Studie „Zur Entwicklung der Gewalt in Deutschland“ der Zürcher Hochschule für angewandte Wissenschaften bei Forderungen nach sozial-, asyl- und aufenthaltsrechtlichen Verschärfungen (s. <link http: www.deutschlandfunk.de studie-zur-entwicklung-der-gewalt-in-deutschland.media.22ba294e98b633c0939fef3aff7b4a01.pdf external-link-new-window external link in new>Zusammenfassung der Studie sowie das <link https: www.zhaw.ch storage shared sozialearbeit news gutachten-entwicklung-gewalt-deutschland.pdf external-link-new-window external link in new>vollständige Gutachten).
Die Studie, an der der Kriminologe und ehemalige niedersächsische Justizminister Christian Pfeiffer mitgearbeitet hat, ist kein Beleg für Behauptungen, von Geflüchteten gehe eine besondere Gefahr für die Gesellschaft aus. Ein Drittel der untersuchten Tatbestände sei innerhalb der Gruppe von Geflüchteten und anderen Zugewanderten passiert. Bei Tötungsdelikten und Körperverletzungen seien dies sogar 91 %. Ausdrücklich verweisen die Macher der Studie darauf, dass die zwangsweise und in den spezifischen Unterkünften sehr beengte Unterbringung von Geflüchteten mitverantwortlich ist. Herkunfts- und fluchtbedingte Traumatisierungen und von der Rechtslage und Verwaltungspraxis provozierte Konkurrenzen zwischen Flüchtlingsgruppen werden aus Sicht der Studie als weitere begünstigende Faktoren für ggf. gewalttätig ausgetragenen Streit identifiziert.
„Dass sich zwischen Menschen, die nur wegen unterschiedlicher Herkunft systematisch in ihren Chancen auf Asyl sowie auf Sprach- und Integrationsförderung benachteiligt werden, die empfundene Ungerechtigkeit und Angst vor der Abschiebung bisweilen in Gewalt entlädt, ist eine Binse“, erklärt Martin Link, Geschäftsführer beim Flüchtlingsrat Schleswig-Holstein.
„Aus der Union erhobene und von rechts-rassistischen Kreisen eilfertig sekundierte Forderungen nach der Demontage bestehender Flüchtlingsrechte rufen die Geister, die vorgeblich bekämpft werden sollen, erst recht auf den Plan“, mahnt Link. Dass aktuell mit Blick auf anstehende Berliner Sondierungsgespräche mit der SPD aus Teilen der Union unter missbräuchlichem Verweis auf die Studie Forderungen nach dem sozialen Aushungern von Asylsuchenden, der pauschalen Zurückweisung von Flüchtenden aus Nordafrika schon an der Grenze oder nach einer Generalverdachtsbürokratie im Umgang mit minderjährigen Flüchtlingen erhoben werden, sei eher problemverstärkend denn lösungsorientiert, ist Link überzeugt.
Angezeigt wären aus Sicht des Flüchtlingsrats stattdessen weniger Kasernierung und mehr dezentrale Unterbringung von Geflüchteten, flächendeckende Angebote von behördenunabhängiger verfahrensbegleitender Asyl- und Aufenthaltsrechtsberatung, eine ermessenspositive Verwaltungspraxis beim Zugang zu Ausbildung und Arbeit sowie eine Politik regelmäßiger Aufenthaltsverfestigung geduldeter Flüchtlinge statt sozialer Ausgrenzung und Externalisierung.
Der Flüchtlingsrat Schleswig-Holstein appelliert an die beteiligten Vertreter*innen der schleswig-holsteinischen SPD, bei den am Wochenende in Berlin beginnenden Sondierungsgesprächen auf ihre Gegenüber mäßigenden Einfluss zu nehmen und sich für eine humanitär ambitionierte bleiberechtsorientierte Politik der Flüchtlingsaufnahme und eine nicht zuletzt gesamtgesellschaftliche Bedarfe berücksichtigende chancengerechte Integrationspolitik einzusetzen.
gez. Martin Link