Es ist auch aus Sicht des Flüchtlingsrates Schleswig-Holstein der eigentlich Skandal, dass es erst eines zweiten Anlaufs beim Bundesamt bedurfte, dass den mit guten Gründen hierzulande um Asyl vorstellig gewordenen Personen schließlich doch Schutz zugesprochen worden ist.
Hier dokumentieren wir die Stellungnahmen der Flüchtlingsräte aus Niedersachsen und Bremen, die wir voll umfänglich teilen.
gez. Martin Link
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Flüchtlingsrat Niedersachsen e.V.
<link https: www.nds-fluerat.org pressemitteilungen anmerkungen-zum-angeblichen-bamf-bestechungsskandal external link in new>P<link https: www.nds-fluerat.org pressemitteilungen anmerkungen-zum-angeblichen-bamf-bestechungsskandal external link in new>ressemitteilung 23.04.2018:
Anmerkungen zum angeblichen „BAMF-Bestechungsskandal“
In der Debatte um einen angeblichen Bestechungsskandal beim BAMF Bremen werden wesentliche Sachverhalte bislang ausgeblendet:
In der Öffentlichkeit wird davon berichtet, dass der Fall der Lehrter Ezidenfamilie K. den Stein ins Rollen gebracht und die Staatsanwaltschaft auf den Plan gerufen habe, nachdem sich u.a. der niedersächsische Innenminister Boris Pistorius beim BAMF-Präsidenten darüber beschwert hatte, dass das BAMF Bremen der Familie K. rechtswidrig Schutz zugesprochen habe. In den Berichten fehlt allerdings der Hinweis, dass die Linie des BAMF Bremen hinsichtlich der Beurteilung der allgemeinen Rechtslage vom niedersächsischen Oberverwaltungsgericht Lüneburg inhaltlich bestätigt wurde: Nach Auffassung der Richter am OVG finden anerkannte Flüchtlinge in Bulgarien keine menschenwürdigen Existenzbedingungen vor, weshalb ihnen in Deutschland Abschiebungshindernisse zuzubilligen sind, siehe
<link https: www.nds-fluerat.org aktuelles niedersaechsisches-ovg-abschiebungen-nach-bulgarien-unzulaessig>www.nds-fluerat.org/28000/aktuelles/niedersaechsisches-ovg-abschiebungen-nach-bulgarien-unzulaessig/
Nicht die Gewährung von Abschiebungsschutz war insofern skandalös, sondern die Abschiebung einer Ezidin mit drei Kindern unter Inkaufnahme einer Familientrennung.
Dem BAMF Bremen wird vorgeworfen, Verfahren an sich gezogen und trotz fehlender formaler Zuständigkeit über Asylanträge entschieden zu haben. Zu berücksichtigen ist aber, dass es ab 2016 aufgrund der hohen Antragszahlen gang und gäbe war, dass Asylsuchende bei anderen BAMF-Dependancen angehört wurden, um die überlasteten BAMF-Standorte zu unterstützen. Wir können nicht ausschließen, dass das BAMF Bremen für den einen oder anderen in Bremen bearbeiteten Fall nicht zuständig war. Festzustellen ist jedoch, dass im fraglichen Zeitraum in einer Vielzahl von Fällen nicht nur in Bremen Doppelakten angelegt wurden, weil das BAMF mit der Registrierung überfordert war.
Die Schutzgewährung für Eziden in der Zeit von 2015 bis 2017 durch das BAMF Bremen entsprach der damaligen behördlichen und gerichtlichen Entscheidungspraxis: Offenkundig ist in Vergessenheit geraten, dass der sogenannte IS nach der militärischen Eroberung eines zusammenhängenden Gebietes im Nordwesten des Irak und im Osten Syriens am 29. Juni 2014 die Gründung eines Kalifats verkündete. Im Zuge der weiteren Eroberungen wurden Tausende von Eziden getötet, misshandelt, vergewaltigt und versklavt.
<link https: www.amnesty.de massenflucht-im-irak>www.amnesty.de/2014/8/8/massenflucht-im-irak<link https: www.amnesty.de informieren amnesty-journal niederlande-zeugnis-ablegen>
www.amnesty.de/informieren/amnesty-journal/niederlande-zeugnis-ablegenDie Anerkennung der Flüchtlinge war (und ist) eine angemessene und notwendige Reaktion auf das den Opfern zugefügte Leid.
Ansprechpartner für die Presse:
Kai Weber
Tel.: 0511 – 8487 9972 bzw. 0178 – 17 32 569
E-Mail: <link>kw<link>@nds-fluerat.org, <link>nds@nds-fluerat.org
Flüchtlingsrat Bremen e.V.
<link https: www.fluechtlingsrat-bremen.de presse mitteilungen external link in new>Pressemitteilung vom 23.4.18
Was ist daran suspekt, dass politisch Verfolgte auch tatsächlich anerkannt werden?
Der Flüchtlingsrat Bremen kritisiert die aktuelle Berichterstattung über Ermittlungen gegen Rechtsanwält*innen und Mitarbeitende des Bundesamtes in Bremen. Denn mehrheitlich wurde dabei die vermeintlich hohe Schutz- und Anerkennungsquote für Geflüchtete, in diesem Fall von Jesid*innen aus dem Irak und Syrien, beim Bremer BAMF in Frage gestellt. Ausführliche Informationen über die Lage der Menschen und auch über die bundesweit sehr unterschiedliche Vorgehensweise des BAMF fehlten zumeist. Eine pauschale Skepsis an der Rechtmäßigkeit der Anerkennung der Verfolgung, kriminalisiert die Betroffenen und macht sie ein zweites Mal zu Opfern.
Im Vordergrund der Berichterstattung der letzten Tage stand vor allem die Beschreibung der Durchführung der Handlungen, die zu diesem Ermittlungsverfahren geführt haben. Das seit Jahren bekannte, skandalös unsachgerechte Verfahren des BAMF selbst bleibt in der Berichterstattung genauso ungenannt wie eine ausführliche Darstellung der Situation, z.B. der Geflüchteten aus Syrien und dem Irak, die nun erneut vor der Prüfung ihrer bereits anerkannten Asylgründe stehen.
Ein tatsächlicher Skandal sind die unterschiedlichen Anerkennungsquoten in den Bundesländern, denn es gibt keinen Zweifel daran, dass Jesid*innen im Irak und Syrien verfolgt werden und damit international schutzberechtigt sind. Während und nach dem Genozid an Jesid*innen 2014 in Shengal/Irak hat sich die Bundesregierung gerne als deren „Schutzmacht“ geriert – manche Politker*innen haben das Schicksal der Jesid*innen sogar als Vorwand benutzt, um für Kriegseinsätze der Bundeswehr zu werben.
„Skandalös ist, dass Schutzsuchende einmal mehr von der Willkür von Behörden und deren Mitarbeitenden abhängig gemacht werden“, so Marc Millies vom Flüchtlingsrat Bremen. „Das Asylverfahren ist in den letzten Jahren so sehr systematsch von seinem eigentlichen Zweck, nämlich Menschen vor Verfolgung zu schützen, entfernt worden.“
Die brutalen Änderungen am Asylgesetz der letzten Jahre und die Verwaltungspraxis des BAMF haben das Grundrecht auf Asyl mittlerweile weitgehend unbrauchbar gemacht: Sei es durch eine absurd anmutende Einschränkung des Verfolgungsbegriffs; sei es durch jahrelange Verschleppung von Verfahren, wenn eine Anerkennung ‚droht‘; sei es durch Unzuständigkeitsregelungen, die die Geflüchteten in Länder treibt, in denen sie nicht geschützt werden; sei es durch den Generalverdacht gegenüber allen Geflüchteten, „gefährlich“ zu sein; sei es durch effektive Beschränkung der Rechtsmittel; sei es durch die unzutreffende, aber durch das Verfahren sehr schwer zu widerlegende Behauptung, bestimmte Staaten seien grundsätzlich sicher.
So beschränkt sich das Asylverfahren mehr und mehr auf die Ausführung von Regelwerken, deren Ziel es ist, systematisch Ablehnungen trotz vorliegender Gefährdung und Verfolgung zu produzieren – anstatt Menschen davor zu schützen. Die Fortführung dessen finden wir in den Vorschlägen des Bundesinnenministers zur Errichtung sogenannter AnKER-Zentren.
gez. Marc Millies Flüchtlingsrat Bremen www.fluechtlingsrat-bremen.de