Der Tag des Flüchtlings findet am 27.9.2013 in der Interkulturellen Woche (IKW) statt. Bezugnehmend auf das IKW-Motto gilt für den Flüchtlingsrat Schleswig-Holstein: „Wer offen für Flüchtlinge ist, kann mehr erleben!" Es läge auch im Interesse der Aufnahmegesellschaft, wenn Asylsuchende und Flüchtlinge genauso Zielgruppe der Integrationsförderung werden, wie es andere Zuwanderergruppen schon sind.
Über welche arbeitsmarktlichen Potenziale Flüchtlinge verfügen, belegen seit Jahren z.B. die Erfahrungen des Netzwerks Land in Sicht! – Arbeit für Flüchtlinge in Schleswig-Holstein. Über 50% der teilnehmenden Flüchtlinge sind – allen widerstreitenden Rechtslagen zum Trotz – erfolgreich in Schulabschlussangebote, betriebliche Praktika und in berufliche Ausbildung und in Arbeit vermittelt worden.
Dort wo solche Förderangebote nicht zugänglich sind, führt seit dem berüchtigten Asylkompromiss vor 20 Jahren ein Labyrinth aus Paragraphen zur systematischen Ausgrenzung von Flüchtlingen aus dem Arbeitsmarkt. Im Ergebnis finden 90 % der geduldeten Flüchtlinge in Deutschland laut Bundesamt für Migration und Flüchtlinge keinen Zugang zum Arbeitsmarkt. Wegen der so für sie kaum zu überwindenden Abhängigkeit von Leistungen der öffentlichen Hand werden die Betroffenen obendrein von interessierter Seite als sogenannte Sozialschmarotzer und Wirtschaftsasylanten diskreditiert.
Die bestehenden strukturellen Diskriminierungen von Flüchtlingen sind humanitär und grundrechtlich fragwürdig, aber auch mit Blick auf den demographischen Wandel und arbeitsmarktliche Bedarfsentwicklungen gesellschaftspolitisch kontraproduktiv. Auch vor dem Hintergrund steigender Asylantragszahlen werden Maßnahmen zur Humanisierung der Flüchtlingspolitik dringlich.
„Anstatt immer mehr Geld und administrativen Aufwand in die Ausgrenzung von Flüchtlingen zu investieren, sollte die Bundesregierung die restriktiven Rechts- und Verordnungslagen beseitigen“ erklärt Martin Link, Geschäftsführer beim Flüchtlingsrat Schleswig-Holstein.
Eine konsequent flüchtlingsfreundliche Integrationspolitik könnte aus Sicht des Flüchtlingsrates darüber hinaus auf Landesebene mit einem Mehr an unbürokratischer Flüchtlingsaufnahme und deutlichem Protest gegen die opferreiche nationale und europäische Abschottung gegen Asyl- und Schutzsuchende einher gehen.
Hintergrund: Rechtslagen und integrationsrechtliche Handlungsbedarfe
· Geflüchtete mit einer Aufenthaltsgestattung, die auf eine Entscheidung ihres Asylverfahrens warten, unterliegen in den ersten neun Monaten ihres Aufenthaltes einem generellen Arbeitsverbot. Für Flüchtlinge, deren Asylantrag abgelehnt wurde und zunächst eine Duldung erhalten, gilt dieses Arbeitsverbot für die ersten neun Monate. Danach folgt nicht selten ein nur nachrangiger Arbeitsmarktzugang, der "bevorrechtigte" Arbeitslose begünstigt.
· Eine Sprachkursförderung wird Flüchtlingen i.d.R. erst mit der Anerkennung ihres Asylverfahrens zugestanden. So ein Verfahren dauert bisweilen Jahre – eine im Wartestand vertane Zeit, die ggf. für den Spracherwerb und die Integration im sozialen Alltag und in der Arbeitswelt fehlt.
· Schutzsuchenden sind in zugewiesenen Unterkünften wohnverpflichtet, oftmals in heterogener Belegung gemeinsam in Mehrbettzimmern einer Gemeinschaftsunterkunft ohne Privatsphäre – nicht selten weit ab „auf der grünen Wiese“. Soziale Verwurzelung und insbesondere für junge Menschen ist unter diesen Bedingungen erfolgreiches Lernen als Schlüssel für schnelle Integration kaum möglich.
· Darüber hinaus schränkt die sogenannte Residenzpflicht ihre Bewegungsfreiheit ein. In den bis zu drei Monaten, in denen Flüchtlinge in der Landeserstaufnahmeeinrichtung, einer Kaserne in Neumünster, untergebracht sind, dürfen sie die Stadt nicht ohne Erlaubnis verlassen. Anschließend gilt inzwischen der Bewegungsraum Schleswig-Holstein. Die bundesländerübegreifende Bewegungsfreiheit, einer erfolgreichen Arbeitsmarktintegration nicht selten zuträglich, ist für Flüchtlinge in Schleswig-Holstein ausgeschlossen.
gez. Martin Link