Am 2. Februar 2022 führte der Innen- und Rechtsausschuss des schleswig-holsteinischen Landtags eine Anhörung zum verbesserten Wahlrecht für Migrant*innen durch. Zugrunde lagen den Beratungen Anträge von SSW (LT Drs <link www.landtag.ltsh.de/infothek/wahl19/drucks/03000/drucksache-19-03073.pdf - external-link-new-window "Opens external link in new window">19/3073</link>) und SPD (LT Drs. <link www.landtag.ltsh.de/infothek/wahl19/drucks/03100/drucksache-19-03108.pdf - external-link-new-window "Opens external link in new window">19/3108</link>), die auf eine Erweiterung des Kommunal- bzw. Landtagswahlrechts für Eingewanderte ohne deutsche Staatsangehörigkeit abstellen.
Zwischen den Abgeordneten, verschiedenen Rechtswissenschaftler*innen und Vertretungen von Migrant*innenorganisationen entspann sich im Verlauf der Anhörung eine Diskussion darüber, ob eine Änderung des Wahlrechts nicht an der Hürde einer ggf. notwendigen Änderung der Verfassung scheitere.
„Wir mussten in den vergangenen Dekaden schmerzlich erfahren, wie leicht es der politischen Klasse bei Bedarf gefallen ist, die Verfassung zu Lasten von Geflüchteten oder anderen Migrant*innen zu schwächen“, zeigte sich Martin Link, Geschäftsführer beim Flüchtlingsrat Schleswig-Holstein, über diese Debatte verwundert. „Vor diesem Hintergrund erscheint uns die ggf. notwendige Verfassungsänderung zur Ermöglichung einer Reform zugunsten des Wahlrechts für alle Migrant*innen als längst überfällige verfassungspolitische Wiedergutmachung.“
Bei der gestrigen mündlichen Ausschussanhörung trug Ari Kehr, Referent*in im AMIF-Projekt für verbesserte politische Partizipation von Migrant*innen beim Flüchtlingsrat, die <link www.frsh.de/artikel/stellungnahmen-zu-landtagsantraegen-zum-wahlrecht/ - external-link-new-window "Opens external link in new window">Position des Vereins</link> vor:
„Es entspricht unseres Erachtens dem demokratischen Grundprinzip, dass es seine Legitimation daraus erhält, dass die Menschen, die von Beschlüssen und Maßnahmen einer Regierung unmittelbar betroffen sind, sie diese auch mit wählen dürfen.“Nichteingebürgerte Migrant*innen würden zwar als Steuerzahler*innen und als Erbringer*innen von Integrationsleistungen regelmäßig vom Staat in die Pflicht genommen und durch rassistische Angriffe und strukturelle Diskriminierung von der Mehrheitsgesellschaft herabgesetzt, blieben an den Wahlurnen aber ausgeschlossen.
Erschwerend käme mit Blick auf bald 20 Prozent der Bevölkerung nichtdeutscher Staatsangehörigkeit hinzu, dass „Wahlen, an denen nur ein Teil der Bevölkerung teilnehmen darf, darauf hinauslaufen, die Ergebnisse zu delegitimieren“, zeigt sich Ari Kehr besorgt und schlussfolgert: „Auf die Dauer droht damit eine folgenreiche Deformation der Demokratie“.
Wenn das demokratische System sich nicht der Wahlbeteiligung für Migrant*innen öffne und ihre Partizipation an politischen Entscheidungsprozessen auf allen Ebenen des föderalen Staatswesens ermögliche, würde damit sukzessive die Nachhaltigkeit der Integration von Einwandernden in die Einwanderungsgesellschaft konterkariert, befürchtet der Flüchtlingsrat.
„Wir stimmen der Einschätzung anderer Migrant*innenorganisationen zu, dass wer sich nicht willkommen und vielmehr bei der Beteiligung ausgeschlossen fühle, erfahrungsgemäß sein Interesse und Engagement auf die politischen Diskurse und Parteienlandschaften seines Herkunftslandes, anstatt auf die der neuen Heimat ausrichte“, erklärt Martin Link.
Die beiden Anträge von SSW und SPD sowie die vollständigen Stellungnahmen des Flüchtlingsrates und anderer Organisationen sind auf der Web-Seite des Flüchtlingsrats verlinkt: <link artikel/stellungnahmen-zu-landtagsantraegen-zum-wahlrecht/>https://www.frsh.de/artikel/stellungnahmen-zu-landtagsantraegen-zum-wahlrecht/</link>
gez. Martin Link, T. 0431-5568 5640. <link public@frsh.de>public@frsh.de</link>, <link www.frsh.de>www.frsh.de</link>