Die Koalitionäre der wohl künftigen Kieler Landesregierung versprechen im Koalitionsvertrag einen Paradigmenwechsel in der Integrationspolitik. Wenn das bedeutet, dass in Schleswig-Holstein künftig die Förderbedarfe von Asylsuchenden und Flüchtlingen mit noch nicht gesichertem Aufenthalt und die von MigrantInnen mit Aufenthaltsstatus gleich bewertet und damit Chancengleichheit bei der Förderung herrschen wird, wäre hiermit ein großer Schritt in die richtige integrationspolitische Richtung passiert. Die Öffnung der Sprachförderung und Integrationsangebote auch für Flüchtlinge ist diesbezüglich konsequent und bedarfsgerecht.
Der Flüchtlingsrat begrüßt darüber hinaus, dass sich Politik und Verwaltungshandeln künftig um weniger Restriktion und Sanktionen und um mehr Willkommenkultur im Zuge positiver Ermessensausübung gegenüber Flüchtlingen bemühen wollen. Bundesratsinitiativen für ein großzügiges Bleiberecht für langjährig Geduldete und die Abschaffung des Optionszwangs sind weitere auch bundesweit richtungweisende Schritte in die richtige Richtung.
Die Abschaffung der Abschiebungshaft sowohl in Rendsburg als auch in anderen JVAen wird langjährigen Forderungen von Flüchtlingsorganisationen und Verbänden gerecht. Es bleibt allerdings aufmerksam zu beobachten, welche Alternative mit der im Koalitionsvertrag verwandten Formulierung "Die Unterbringung erfolgt, wenn kein milderes Mittel zur Verfügung steht, künftig in einer hierfür geeigneten geschlossenen Einrichtung" gemeint sein wird.
Die Flüchtlingszuwanderung und der Bedarf Betroffener an solidarischer Unterstützung und Lobbyarbeit nimmt bundesweit und auch in Schleswig-Holstein zu. Der Flüchtlingsrat und seine Mitglieder begrüßen die Ankündigung der künftigen Landesregierung, die Strukturen des bürgerschaftlichen Engagements für die Flüchtlingshilfe durch Förderung des Landesflüchtlingsrates zu stärken.
gez. Martin Link, Flüchtlingsrat Schleswig-Holstein e.V.
<link>ml@frsh.de
Anhang:
Auszug aus dem Koalitionsvertrag "Bündnis für den Norden - Neue Horizonte für Schleswig-Holstein" vom 3.6.2012 (Attachment als pdf-Datei)
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VII.6 Integration & Flüchtlinge
Schleswig-Holstein ist ein Einwanderungsland. Wir setzen auf gesellschaftlichen Zusammenhalt und die Partizipation aller Menschen. Wir wollen diesen Menschen in Schleswig-Holstein ein Zuhause und eine Zukunft bieten. Unser Leitsatz ist, Flüchtlings- und Integrationspolitik zusammen zu denken.
Die Migrationssozialberatungen leisten wertvolle Arbeit für die Integration von Menschen mit Zuwanderungsgeschichte. Dieses Angebot muss dringend flächendeckend erhalten bleiben und daher wollen wir die getroffenen Kürzungen zurücknehmen. In den Kommunen sind lokale Integrationspläne und die entsprechende Weiterbildung der Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter des öffentlichen Dienstes die zentralen Schlüsselaufgaben.
Wir brauchen eine neue, akzeptierende Willkommenskultur, die sich auch im konkreten Verwaltungshandeln widerspiegelt. Wir werden den bundesgesetzlichen Ermessensspielraum ausschöpfen und gemeinsam mit dem Flüchtlingsbeauftragen und der Landesregierung ermessensleitende Hinweise erarbeiten.
Mehrstaatigkeit ist eine Bereicherung. Der Optionszwang hingegen ist integrationshemmend. Daher werden wir eine Bundesratsinitiative auf Abschaffung des Optionszwanges und die Zulassung von Mehrstaatigkeit mit dem Ziel auf den Weg bringen, die Einbürgerungsquote zu erhöhen.
Gute Kenntnisse der deutschen Sprache sind der zentrale Schlüssel für eine erfolgreiche Integration. Auch für Menschen im Asylverfahren und ohne sicheren Aufenthaltstitel ist der Spracherwerb lebensnotwendig. Wir werden daher die Sprach- und Integrationskurse für diese Menschen öffnen.
Wir wollen einen Paradigmenwechsel in der Abschiebepolitik. Wir halten Abschiebehaft grundsätzlich für eine unangemessene Maßnahme und werden uns deshalb auf Bundesebene für die Abschaffung der Abschiebehaft einsetzen. Bis zu einer Änderung der bundesrechtlichen Vorgaben wird die Abschiebehaft in Schleswig-Holstein nach Maßgabe folgender
Grundsätze vollzogen: Da die Abschiebehaft weder eine strafrechtliche Sanktion ist noch eine Gefährdung der Bevölkerung von den Ausreisepflichtigen ausgeht, ist sie humanitär, sozial und medizinisch gerecht zu gestalten. Betroffenen dürfen nur Beschränkungen auferlegt werden, die für die Durchführung der Verwaltungsmaßnahme zwingend erforderlich sind.
Die nach dem Aufenthaltsgesetz bestehenden Ermessenspielräume bei der Verhängung und der Durchführung von Abschiebungshaft sind so anzuwenden, dass den humanitären Grundsätzen Rechnung getragen wird. Die Abschiebungshaftanstalt Rendsburg wird geschlossen. Die Inhaftierung in einer JVA ist nicht zulässig. Die Unterbringung erfolgt, wenn kein milderes Mittel zur Verfügung steht, künftig in einer hierfür geeigneten geschlossenen
Einrichtung. Unbegleitete Flüchtlinge unter 18 Jahren sind in die Obhut des zuständigen Jugendamtes zu geben.
Wer dauerhaft in Deutschland lebt, muss das Recht bekommen zu bleiben. Wir werden uns im Bundesrat für eine stichtagsunabhängige Bleiberechtsregelung mit realistischen Anforderungen für die Betroffenen einsetzen. Zudem muss das Bleiberecht eine deutlich humanitäre Handschrift tragen und den Menschen eine verlässlichen Perspektive auf ein dauerhaftes Aufenthaltsrecht bieten.
Die Arbeit des Flüchtlingsrats ist unverzichtbar für eine solidarische Flüchtlingshilfe. Wir werden den Flüchtlingsrat künftig institutionell fördern.
Per Erlass werden wir regeln, dass Arbeitsverbote nicht mehr als Sanktionsmittel verhängt werden dürfen. Die Unterbringung von Asylsuchenden ist zum Teil problematisch. Wir wer den dafür Sorge tragen, dass die vorgegebenen Standards zur Unterbringung umgesetzt werden.
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