PRO ASYL, der Flüchtlingsrat Schleswig-Holstein und die anderen Landesflüchtlingsräte und Jugendliche ohne Grenzen fordern anlässlich der Innenminister*innenkonferenz vom 1. bis 3. Dezember einen umfassenden Abschiebestopp sowie die sofortige Fortsetzung der Aufnahme Schutzsuchender aus Afghanistan.
Unter anderem in Afghanistan, Syrien und in Äthiopien spielen sich ungeheure humanitäre Katastrophen ab:
In Äthiopien eskaliert die unter der Zivilbevölkerung opferreiche Bürgerkriegsgewalt. Der Konflikt in Tigray droht ganz Äthiopien in einen Bürgerkrieg zu stürzen, die Kampfhandlungen weiten sich auf immer weitere Provinzen aus. Das Auswärtige Amt ruft deutsche Staatsangehörige wegen der Auseinandersetzungen dringend dazu auf, Äthiopien schnellstmöglich zu verlassen. In Afghanistan durch die Taliban und in Syrien seitens des Regimes, türkische Söldner und verschiedene Gruppen Aufständischer sind die Menschen willkürlicher Brutalität und systematischen Menschenrechtsverletzungen, Folter und Tötungen ausgesetzt. Abschiebungen sind unter solchen Bedingungen auf unabsehbare Zeit nicht erlaubt, selbst die sogenannte freiwillige Rückkehr nicht zumutbar.
Auch aufgrund der grassierenden Pandemie müssen die Innenminister*innen auf ihrer Konferenz einen generellen Abschiebestopp verhängen. Abschiebungen während der Pandemie sind unverantwortlich und gefährden Menschenleben. Insbesondere nach Syrien, Afghanistan und Äthiopien kann wegen der anhaltend katastrophalen politischen und wirtschaftlichen Lage nicht abgeschoben werden – in diesen Ländern herrschen Krieg und Terror.
Bleiberechtsregelungen umsetzen
Die Ampel-Koalition hat erfreulicherweise beschlossen, eine – wenngleich offenbar durch einen Stichtag in ihrer Effektivität belastete – Bleiberechtsregelung zu schaffen. Das neue „Chancen-Aufenthaltsrecht“ will „Menschen, die am 1. Januar 2022 seit fünf Jahren in Deutschland leben, nicht straffällig geworden sind und sich zur freiheitlichen demokratischen Grundordnung bekennen“ eine einjährige Aufenthaltserlaubnis auf Probe ermöglichen, „um in dieser Zeit die übrigen Voraussetzungen für ein Bleiberecht zu erfüllen“ (Seite 138 Koalitionsvertrag; <link https: bit.ly>
).Aber:
„Wir sind besorgt, dass einige Ausländerbehörden und Bundesländer ungeachtet der Pandemie vor in Kraft treten der kommenden Regelungen zu Lasten Betroffener Fakten schaffen, wo immer es ihnen möglich ist“, erklärt Martin Link, vom Flüchtlingsrat Schleswig-Holstein. „Dazu darf es nicht kommen“, sagt Günter Burkhardt, Geschäftsführer von PRO ASYL, „deshalb sollten sich die Länder auf der Innenminister*innenkonferenz auf eine Vorgriffsregelung einigen, die dafür sorgt, dass niemand bis zur Umsetzung der von der Koalition beschlossenen Regelung abgeschoben wird.“
Die Menschenrechtsorganisationen appellieren an Schleswig-Holsteins Innenministerin Dr. Sabine Sütterlin-Waack, bei der IMK ihre Kolleg*innen aus Bund und Ländern von einer solchen Vorgriffsregelung zu überzeugen.
Abschiebestopp nach Afghanistan, Syrien und Äthiopien
Gemeinsam mit PRO ASYL, den Landesflüchtlingsräten und Jugendliche ohne Grenzen appelliert der Flüchtlingsrat Schleswig-Holstein anlässlich der IMK an Bund und Länder, parteiübergreifend die Realitäten in Afghanistan, Syrien und Äthiopien anzuerkennen.
Es ist angesichts der Machtübernahme der Taliban unerlässlich, dass die Innenminister*innen einen Abschiebestopp für Afghanistan erlassen. Etwa 30.000 Afghan*innen bundesweit und ca. 2.500 in Schleswig-Holstein leben seit Ausrufen des Islamischen Kalifats Afghanistan in ständiger Angst vor der zwangsweisen Rückkehr. „Es reicht nicht aus, dass Abschiebungen nach Afghanistan derzeit lediglich ausgesetzt sind. Es ist unabsehbar, wie lange die Taliban an der Macht sein werden und die als ‚verwestlicht‘ geltenden Rückkehrer*innen verfolgen“, betont Martin Link vom Flüchtlingsrat Schleswig-Holstein. Die Menschenrechtsorganisationen fordern einen offiziellen Abschiebestopp im Sinne von § 60a Abs. 1 AufenthG, um Ausreisepflichtigen Sicherheit zu vermitteln.
„Die afghanischen Staatsangehörigen, die in früheren Asylverfahren keinen Schutz zugesprochen bekommen haben, brauchen jetzt ein gesichertes Bleiberecht“, ergänzt Jassin Akhlaqi von Jugendliche ohne Grenzen. „Nur auf Grundlage eines sicheren Aufenthalts können diese Menschen, unter ihnen viele junge Männer und Frauen, Arbeit finden, studieren oder eine Ausbildung absolvieren ohne die ständige Angst und Ungewissheit, die mit der drohenden Abschiebung einhergehen.“
Auch die Lage in Syrien ist weiterhin dramatisch, wie Berichte von Menschenrechtsorganisationen verdeutlichen. Unter anderen Amnesty International (<link https: bit.ly>
) und Human Rights Watch (<link https: bit.ly>) haben zahlreiche Fälle von Männern, Frauen und Kindern dokumentiert, die nach einer Rückkehr nach Syrien schwerste Menschenrechtsverletzungen durch den syrischen Geheimdienst erfuhren. Syrer*innen, die in ihre Heimat zurückkehren (müssen), werden willkürlich inhaftiert, gefoltert oder vergewaltigt. Dabei erklären die internationalen Menschenrechtsorganisationen, dass es keine sicheren Gebiete für Rückkehrer*innen in Syrien gibt. Es widerspricht dem Völkerrecht, in solche Staaten abzuschieben. Das zeigt eindeutig, dass das Auslaufen des Abschiebestopps für Syrien im letzten Jahr falsch war und ein solcher Stopp menschenrechtlich geboten ist.In Äthiopien droht der Konflikt in Tigray das ganze Land in einen Bürgerkrieg zu stürzen; die Kampfhandlungen weiten sich auf immer mehr Provinzen aus, und Menschenrechtsverletzungen sind an der Tagesordnung. Dennoch schiebt Deutschland weiterhin Menschen in das Bürgerkriegsland ab (<link https: bit.ly>
). Die Innenminister*innen müssen dringend auch für Äthiopien einen Abschiebestopp beschließen.Aufnahme aus Afghanistan fortsetzen
Es ist zu begrüßen, dass die künftige Regierung Bundesaufnahmeprogramme für besonders gefährdete Afghan*innen vorsieht. In Gefahr sind aber auch solche Afghan*innen mit familiären Bindungen nach Deutschland. Der Flüchtlingsrat Schleswig-Holstein fordert die Landesregierung auf, gegenüber den Innenministern aus Bund und den anderen Ländern auf abgestimmte Landesaufnahmeprogramme zu dringen, die Familienangehörigen von in Deutschland lebenden Afghan*innen Schutz gewähren. „Das seit vielen Jahren geltende Syrien-Angehörigen-Aufnahmeprogramm der schleswig-holsteinischen Landesregierung ist ein gutes Vorbild“, erklärt Martin Link (<link https: bit.ly>
).PRO ASYL, Landesflüchtlingsräte und Jugendliche ohne Grenzen fordern: Die im Koalitionsvertrag beschlossenen Gesetzesänderungen dürfen nicht auf die lange Bank geschoben werden und müssen jetzt in einem 100 Tage-Programm gesetzlich auf den Weg gebracht werden, ebenso eine Fortsetzung der Aufnahme besonders schutzbedürftiger Afghan*innen und ihrer Familien.
Weitere Presseinformationen:
- Weitere Forderungen von PRO ASYL finden Sie hier: <link https: bit.ly>bit.ly/3pjaQTD.
- Eine Stellungnahme zur IMK, die unter anderem von Jugendliche ohne Grenzen und den Flüchtlingsräten getragen wird, finden Sie hier: <link https: bit.ly>bit.ly/3d4gJhs.
Kontakt:
- PRO ASYL: <link>presse@proasyl.de; Tel.: 069 2423 1430, <link http: www.proasyl.de>www.proasyl.de
- Flüchtlingsrat Schleswig-Holstein, <link>public@frsh.de, T. 0431-5568 5640
- Jugendliche ohne Grenzen (http://jogspace.net/ ): Jassin Jassin Akhlaqi, Pressesprecher für die JoG-Konferenz anlässlich der IMK in Stuttgart. Tel.: 017630771982