Eingeladen hatten zu der prominent besetzten Tagung der Flüchtlingsrat Schleswig-Holstein, das Bleiberechtsnetzwerk Land in Sicht! - Arbeit für Flüchtlinge in Schleswig-Holstein und der Landesbeauftragte für Flüchtlings-, Asyl- und Zuwanderungsfragen des schleswig-holsteinischen Landtags.
Dr. Carola Burkert vom Institut für Arbeitsmarktforschung der Bundesagentur für Arbeit in Nürnberg hatte zu Beginn der Tagung ihren faktenreichen wissenschaftlichen Finger in die historischen Wunden einer zunächst über Jahrzehnte - nicht allein bzgl. der Flüchtlinge - verfehlten Integrationspolitik gelegt.
Staatsministerin Özoğuz betonte bei ihrem Vortrag ebenso mit Blick auf die deutsche Geschichte, aber auch auf die aktuellen Flüchtlingskatastrophen, die besondere Verantwortung der Bundesregierung bei der großzügigen Aufnahme von Asylsuchenden. Özoğuz dankte den Kommunen, aber auch den Bürgerinitiativen und Fachverbänden für ihr Engagement bei der Aufnahme und Unterstützung der Flüchtlinge.
Mit Blick auf Flüchtlingskinder fordert Staatsministerin Özoğuz Innovationen bei der schulischen Integration. „Quereinsteigerklassen oder Kurse sind zielführender als ein Abwarten oder ein gezieltes behördliches Hinauszögern der Einschulung“, erklärt Özoğuz und deutet Verhandlungsbereitschaft des Bundes bzgl. der Kosten an.
Dass Asylbewerber beim jüngsten BAföG-Änderungsgesetz außen vor geblieben sind, bedauerte Özoğuz ausdrücklich und bat die TagungsteilnehmerInnen um Zuarbeit: „Halten Sie mich bitte zu diesen Fallkonstellationen auf dem Laufenden. Vielleicht muss in einiger Zeit doch über rechtliche Änderungen nachgedacht werden.“
Bezüglich der verfassungsrechtlich gebotenen Überarbeitung des Familiensozialrechts u.a. beim Kinder- und Elterngeld verwies die Staatsministerin anwesende Vertreter aus Politik und die zu diesen Fragen ungeduldigen Migrationsfachdienste und Flüchtlingsinitiativen auf eine noch in der Abstimmung befindliche Gesetzesinitiative des Bundesfamilienministeriums.
Das vernichtende Echo der Fachverbände und Kirchen zum BMI-Gesetzentwurf zur Neubestimmung des Bleibe- und Ausweisungsrechts klinge immer noch nach, bekannte die Staatsministerin, ohne ihre Besorgnis in Richtung Bundesinnenministerium zu verhehlen: „Es sind schwierige Verhandlungen.“ Ihr Versprechen indes, die von Flüchtlingsorganisationen entschieden kritisierten vom BMI geplanten Restriktionen hätten keinen Bestand, soweit sie für Betroffene den Zugang zur künftigen gesetzlichen Bleiberechtsregelung versperrten, erhielt besonderen Applaus der TagungsteilnehmerInnen.
Evelyn Jäger, für das Thema Integration zuständige Referatsleiterin im Kieler Innenministerium, referierte den erklärten Willen der Landesregierung zu einer „flüchtlingsfreundlichen Integrationspolitik“. Es sei auch unter dem Eindruck steigender Asylzuwanderung weiterhin Programm der Küstenkoalition, einen Paradigmenwechsel dahin gehend zu vollziehen, dass Flüchtlings- und Integrationspolitik immer zusammen gedacht würden.
Jäger stellte die Migrations- und Integrationsstrategie des Landes vor und verwies auf eine Reihe von Maßnahmen, die auf die Verbesserung der Aufnahme und Unterbringung von Flüchtlingen im Bundesland und in den Kommunen zielen. Frau Jäger betonte mit Blick auf die möglichen Synergieeffekte, dass es hilfreich sei, wenn sich vor Ort alle relevanten Kräfte – von Verwaltungen über Migrationsfachdienste bis hin zu ehrenamtlichen Initiativen – in der alltäglichen Unterstützung und Begleitung der Flüchtlinge miteinander vernetzten.
Die Koordinatorin des vom Flüchtlingsrat und dem Paritätischen SH koordinierten Netzwerks Land in Sicht!, Johanna Boettcher, schloss die Tagung mit einer detaillierten Zwischenbilanz der aus Sicht der Integrationsfachdienste und Flüchtlingsorganisationen bestehenden Handlungsbedarfe ab.
Um eine schnelle und effektive Integration von Flüchtlingen zu ermöglichen, müssten die Integrationskurse für alle Flüchtlinge geöffnet werden. Die Förderung von Deutsch als Zweitsprache an Schulen müsse stark ausgebaut werden, und junge Flüchtlinge sollten auch nach Erreichen der Volljährigkeit die Möglichkeit erhalten, an einer Schule einen Abschluss zu erwerben.
„Jobcenter und Arbeitsagenturen sollten Flüchtlinge noch stärker bei der Orientierung auf dem Arbeitsmarkt unterstützen und ihnen Fördermaßnahmen anbieten,“ schlug Boettcher vor - auch wenn diese noch nicht über einen festen Aufenthaltsstatus verfügten.
BAföG und Ausbildungsförderung müssten allen Flüchtlingen zugänglich gemacht werden, betonte Johanna Boettcher und war sich dabei mit Staatsministerin Özoğuz einig. Schließlich benötigten Betriebe sowie ehrenamtliche Initiativen weitere Informationen, welche Möglichkeiten Flüchtlingen offen stehen. Flüchtlinge sollten nicht zuletzt eine Aufenthaltsperspektive in Form einer realistischen und dauerhaften Bleiberechtsregelung erhalten. Denn der Großteil der Flüchtlinge wird dauerhaft in Deutschland bleiben.
Mit dem Appell „die Fehler der ‚Gastarbeitermigration‘ dürfen sich in der aktuellen Flüchtlingsintegrationspolitik nicht wiederholen,“ schloss Johanna Boettcher ihren Beitrag ab.
Die Beiträge der Tagung werden auf der Web-Seite und in der nächsten Printausgabe des Quartalsmagazins für Migration und Flüchtlingssolidarität – Der Schlepper – dokumentiert. Bezug: Flüchtlingsrat Schleswig-Holstein e.V., T. 0431-735 000, office<script type="text/javascript"> obscureAddMid() </script>frsh<script type="text/javascript"> obscureAddEnd() </script>de
gez. Martin Link