Passend zum 60. Jahrestag des Berliner Mauerbaus wird die Landesregierung Schleswig-Holstein am Montag, den 16. August, das neue norddeutsche Abschiebungsgefängnis in Glückstadt in Betrieb nehmen.
Die Anlage, eingebettet in ein 1936 für eine geplant tausendjährige Zukunft von Gewalt und Unterdrückung erbautes Kasernenareal, ist mit einer 6 Meter hohen Mauer umgeben, die an Höhe und Betoniertheit alles übertrifft, was je durch Berlin oder zwischen Süd- und Nordamerika durch die Wüste gezogen worden ist. Damit nicht genug, wird auch innerhalb des Geländes der natürliche Freiheitsdrang der betroffenen Inhaftierten durch ein martialisches System zahlreicher 5 Meter hoher mit diversen schwerstverletzungsintensiven NATO-Draht-Rollen gekrönten Metallgitterzaunbarrieren klein gehalten.
Abschiebungshaft ist ein anachronistisches Instrument rückwärtsgewandter nationalistischer Migrationskontrollpolitik, das abgeschafft gehört. Dass es stattdessen grundsätzlich möglich sein soll, unter 60 Abschiebungshäftlingen in Glückstadt sogar Frauen und Kinder einzusperren, ist für den Flüchtlingsrat besonders kritikwürdig.
Weder mit noch so viel Sportgeräten, Internetzugängen, vermeintlicher Souveränität der Betroffenen beim Selbsteinschluss, noch mit dem euphemistischen Wording vom "Wohnen minus Freiheit" können die drei beteiligten Bundesländer Mecklenburg-Vorpommern, Hamburg und Schleswig-Holstein darüber hinwegtäuschen, dass es sich hier um einen Freiheitsentzug ohne Straftatbestand handelt. Denn inhaftiert werden nun künftig auch in Glückstadt nur solche Menschen, denen nichts weiter vorgeworfen wird, als dass sie an dem Ort, wo sie leben, gern bleiben wollen.
"Bundesweite Zählungen zeigen, dass gut 50% der Inhaftierten auf Grundlage rechtsfehlerhafter Haftbeschlüsse in diese Lage geraten", mahnt Martin Link, Geschäftsführer beim Flüchtlingsrat Schleswig-Holstein. Das mache eine behördenunabhängige juristisch qualifizierte Rechtsberatung dringend erforderlich.
Die beste Alternative zur Abschiebungshaft ist keine Abschiebungshaft.
Der Bedarf am Instrument Abschiebungshaft ist seit Jahren umstritten. Das wurde ultimativ auch deutlich bei der Anhörung von über 30 Organisationen und Institutionen – darunter Richter- und Anwaltsvereinigungen, Religionsgemeinschaften, (Polizei)Gewerkschaften, Wissenschaft, Migrationsfachorganisationen, Gesundheitsdiensten – durch den Innen- und Rechtsausschuss des Landtags zum Abschiebungshaftvollzugsgesetz am <link https: www.landtag.ltsh.de export sites ltsh infothek wahl19 aussch iur einladung>30.1.2019. Vor diesem Hintergrund ist es auch wenig überraschend, dass die Alternativlosigkeit der Abschiebungshaft weniger von dieser Fachwelt, als vor allem von Innenpolitiker*innen und der Exekutive behauptet wird.
Das Konzept der Abschiebungshaft erlebt seine Renaissance in einer seit 2019 vielfältig verschärften Asyl- und Ausländerrechtslage. Doch können alle rechtspolitischen Restriktionen nicht darüber hinwegtäuschen, dass Deutschland zur Aufnahme von Geflüchteten grund- und völkerrechtlich verpflichtet ist. Weder das Heruntermanipulieren der Asylanerkennungsquoten noch das allzu oft stattfindende außen- und innenamtliche Übersehen der tatsächlich in den Herkunftsländern herrschenden Gefährdungen und Risiken, können den Schutzanspruch der hierzulande Asyl Suchenden ernsthaft in Frage stellen.
Der Umgang mit Geflüchteten ist darüber hinaus ein Gradmesser für die soziale Empathie und interkulturelle Kompetenz sowohl staatlicher Stellen wie der Gesellschaft insgesamt. Auch begründet die demographische und absehbare Entwicklung der Arbeitskräftebedarfslage, dass Deutschland ein Staat ist, der dringend auf Einwanderung – nicht nur der von Geflüchteten – und auf eine kluge Politik angewiesen ist, die auch im ureigensten Interesse systematisch auf Bleiberechtssicherung und Integrationsförderung anstatt auf Aufenthaltsbeendigung setzt.
Gerade aus Kreisen der Wirtschaft wird regelmäßig auf die besonders positiven Erfahrungen bei der nachhaltigen Integration von Geflüchteten in Beschäftigung, aber auch darauf verwiesen, wie destruktiv sich auf die integrationspolitischen Potenziale der Betroffenen das ständige Damoklesschwert drohender Aufenthaltsbeendigung auswirkt.
„Mit Blick auf diese politische Bedarfslage benötigen wir eher das rechtspolitische Instrument eines Spurwechsels, das Geflüchteten die Möglichkeit der aufenthaltsrechtlichen Umsteuerung einräumt, anstatt das komplexe Regime der Aufenthaltsbeendigung und der Abschiebungshaft zu eskalieren“, zeigt sich Martin Link überzeugt.
Statt einer Ausweitung der Politik der Abschiebung und Abschiebungshaft stünde der bundesdeutschen Einwanderungsgesellschaft also ein mehr an Strategien zur Bleiberechtssicherung und Integrationsförderung gut zu Gesicht.
gez. Martin Link