Europa erlebt eine beispiellose Hilfsbereitschaft in der Zivilbevölkerung für geflüchtete Menschen aus der Ukraine. Aber auch auf administrativer und ministerialer Ebene wurden in Europa und Deutschland in kürzester Zeit gesetzliche Regelungen und Erlasse geschaffen: Die EU-Innenminister*innen haben am 4. März 2022 erstmalig einen Rats-Beschluss zur Anwendung der sog. Massenzustrom-Richtlinie getroffen. In der Folge haben Schutzsuchende aus der Ukraine europaweit Zugang zu Arbeit, Bildung sowie Sozialleistungen und medizinischer Versorgung – ohne vorher ein Asylverfahren durchlaufen zu müssen.
„Als Netzwerke, die die Unterstützung der Integration Geflüchteter als Aufgabe und Ziel haben, begrüßen wir diese Möglichkeiten für die aus der Ukraine geflüchteten Menschen ausdrücklich“, betont Mareike Röpstorff, Mitarbeiterin des Flüchtlingsrates SH bei den beiden Netzwerken zur Arbeitsmarktintegration Alle an Bord! und Mehr Land in Sicht!. Dass dabei der Zugang zu Integrationsmaßnahmen und zum Arbeitsmarkt entscheidende Faktoren für ein schnelles Ankommen in der Aufnahmegesellschaft sind, geht aus vielen Studien und Ergebnissen von Projekten hervor. Darüber hinaus tragen sie zur psychischen Stabilisierung angesichts traumatischer Erlebnisse bei, unterstützen die wirtschaftliche Unabhängigkeit und Selbstständigkeit geflüchteter Menschen und fördern das Zusammenleben in der Aufnahmegesellschaft.
Erleichterte Studienzugänge und schnellere Anerkennungsverfahren sind zu erwarten – jedoch nicht für alle
Um genau diese integrationsfördernden Wirkungen zu erzielen, haben Bund und Länder zahlreiche Erleichterungen für ukrainische Geflüchtete mit Hinblick auf Zugang zu Bildung und Arbeit geschaffen. So gelten laut Beschluss der Kultusminister:innenkonferenz vom 05.04.2022 für Geflüchtete aus der Ukraine erleichterte Studienzugänge: Ukrainische Schüler:innen, die kriegsbedingt nicht ihren Sekundarschulabschluss abschließen konnten, können sich trotzdem für ein Studium in Deutschland bewerben. Darüber hinaus setzt sich Bundesarbeitsminister Hubertus Heil für beschleunigte Anerkennungsverfahren bei beruflichen Qualifikationen und Ausbildungen von Menschen aus der Ukraine ein. „Es ist schön zu sehen, dass unsere jahrelang erhobenen Forderungen, wie die schnellere Durchführung von Anerkennungsverfahren, nun für ukrainische Geflüchtete umgesetzt werden. Jedoch muss eine solche Verbesserung für alle Geflüchteten gelten!“, konstatiert Tabea von Riegen, Paritätischer SH, Koordinatorin beim Netzwerk Alle an Bord!.
Was Politik und Verwaltung tun können
Anlässlichdes Tags der Arbeit appellierendie im nördlichsten Bundesland vertretenen und vom PARITÄTISCHEN Wohlfahrtsverband Schleswig-Holstein und dem Flüchtlingsrat Schleswig-Holstein koordinierten migrationsspezifischen Netzwerke zur Arbeitsmarktförderung Mehr Land in Sicht! und Alle an Bord! an Politik und Verwaltung, folgende Forderungen umzusetzen:
- Die Möglichkeiten des unbeschränkten Zugangs zum Arbeitsmarkt und zu Integrationsmaßnahmen müssen für alle Geflüchteten geschaffen werden – unabhängig ihres Herkunftslandes und ihres Aufenthaltsstatus, selbstverständlich auch für Drittstaatsangehörige aus der Ukraine!
Menschen aus Ländern wie Afghanistan, Jemen, Irak oder Somalia stehen vor zahlreichen aufenthaltsrechtlichen und bürokratischen Hürden, wenn es um eine reibungslose Integration in den Arbeitsmarkt, Zugänge zu Bildung und einen sicheren Aufenthalt geht. Sie warten seit Jahren auf die Möglichkeit des Spracherwerbs. Sie können Arbeitsstellen nicht antreten, da das Genehmigungsverfahren durch die Zuwanderungsbehörden langwierig und kompliziert ist. „Unsere Erfahrung aus der Beratungsarbeit zeigt: Ein hürdenarmer Zugang von geflüchteten Arbeitnehmer*innen bietet auch für Arbeitgebende eine lohnenswerte Möglichkeit, offene Stellen zeitnah zu besetzen und dem Fachkräftemangel entgegenzuwirken.“ so Annika Fuchs, Koordination von Mehr Land in Sicht.
- Die aktuellen Herausforderungen mit Blick auf Geflüchtete aus der Ukraine und die damit verbundenen Bedarfe Zugänge zu qualifizierter Arbeit zu erleichtern, sollten auch Anlass sein, die im Koalitionsvertrag angekündigten Vorhaben der Bundesregierung, wie die Öffnung der Zugänge zu Sprachkursen und die Senkung der Hürden beim Zugang zu Arbeit und Bleiberechtsicherung, zeitnah umzusetzen im Sinne der Gleichbehandlung aller. Wir fordern das Land insbesondere mit Hinblick auf die Bleiberechtsregelungen auf, seine Spielräume zu nutzen und entsprechende Vorgriffsregelungen zu erlassen.
Pressekontakt:
Mareike Röpstorff
Flüchtlingsrat Schleswig-Holstein e.V.
Netzwerkkoordination Alle an Bord! und Mehr Land in Sicht!
Tel. 0431 55685363
alleanbord(at)frsh.de