Anlässlich des 25-jährigen Bestehens des Sächsischen Flüchtlingsrats führten die Landesflüchtlingsräte ihre regelmäßige Konferenz am 8. und 9. September 2016 in Dresden durch. Die Flüchtlingsräte der Bundesländer fordern eine Rückbesinnung der politischen Flüchtlingsdebatte auf die Menschenrechte von Geflüchteten.
Die aktuelle Debatte über die Flüchtlingspolitik in Deutschland und Europa, die faktisch Populismus und Rassismus in der Gesellschaft fördert, trifft auf den entschiedenen Widerspruch der Flüchtlingsräte der Bundesländer.
Die humanitäre Substanzlosigkeit der etablierten Flüchtlingspolitik offenbarte sich beispielhaft am 4. September in der Anregung des Bundesinnenministers Thomas de Maizière, die seit 2011 ausgesetzten Rücküberstellungen von Geflüchteten nach Griechenland wieder aufzunehmen. „Dieser Vorschlag ist menschenrechtsfeindlich und darüber hinaus nicht EU-rechtskonform“, kritisiert Martin Link, Geschäftsführer beim Flüchtlingsrat Schleswig-Holstein. Der Minister ignoriere wider besseres Wissen, dass sich die Situation für Geflüchtete in Griechenland weiter verschlechtert. Nicht zuletzt aufgrund des EU-Deals mit der Türkei seien tausende Geflüchtete in Griechenland obdachlos bzw. interniert. Sie haben keinen Zugang zu Beratung, zum Asylverfahren oder zur legalen Weiterreise. Derzeit sind allein auf der Insel Lesbos 5.000 Geflüchtete inhaftiert, darunter 157 unbegleitete Minderjährige. Bereits im März haben sich das UNHCR und Ärzte ohne Grenzen gegen diese Missstände ausgesprochen und ihre Mitarbeit in den griechischen Haftzentren eingestellt.
Die Situation in Griechenland ist nur ein Symptom der entwürdigenden EU-politischen Praxis, die sich auch in der geplanten Verschärfung der Dublin-Verordnung widerspiegelt. Unter anderem sollen demnach künftig auch unbegleitete minderjährige Geflüchtete regelmäßig ohne Prüfung ihres Asylbegehrens in die für sie vermeintlich zuständigen Mitgliedstaaten rücküberstellt werden.
Die aktuellen politischen und Mediendebatten, die sich nach der Landtagswahl in Mecklenburg-Vorpommern verstärken, bewegen sich nur noch im Rahmen restriktiver Symbolpolitik. Die Flüchtlingsräte appellieren an die Parteien, nicht aus populistischen Kalkül heraus die Menschen- und Grundrechte von Geflüchteten in der Diskussion zu missachten. „Nicht allein in Sachsen schaffen ParteienvertreterInnen mit populistischen Aussagen den Nährboden für Rassismus und sind verantwortlich für eine gesellschaftliche Atmosphäre, die die nachhaltige ‚Integration’ von Geflüchteten konterkariert“, beklagt Ali Moradi, Geschäftrsführer beim Sächsischen Flüchtlingsrat.
Jenseits der Stimmungen und gesellschaftlichen Ressentiments gibt die rechtspolitische und administrative Situation von Geflüchteten vielfachen Anlass zu Besorgnis. Bundesweit finden derzeit - allen grund- und europarechtlichen Standards zum Trotz - Trennungen von Familien im Zuge von Abschiebungen statt. Jüngst in Kraft getretene Gesetzesverschärfungen und die bürokratische Praxis der Deutschen Botschaften bei Visumsanträgen verunmöglichen systematisch den Familiennachzug für anspruchsberechtigte Flüchtlinge und ihre in den Herkunftsländern im Höchstmaß gefährdeten Angehörigen. Asylsuchenden und neuerdings auch anerkannten Flüchtlingen werden regelmäßig die freie Wahl des Wohnsitzes und damit gute Integrationschancen verwehrt.
Die Landesflüchtlingsräte der Bundesländer fordern:
· eine bedingungslose Freizügigkeit bei der Wohnsitznahme von Asylsuchenden und anerkannten Flüchtlingen,
· eine familienfreundliche Flüchtlingsaufnahme, einen beschleunigten und barrierefreien Familiennachzug und den regelmäßigen Verzicht auf die Abschiebung von Familien,
· eine Asyl-Amnestie, die alle seit mindestens zwölf Monaten unbearbeiteten Asylbegehren mit Erteilung des Flüchtlingsstatus entscheidet
· und nicht zuletzt die Öffnung sicherer Korridore für Flüchtende anstatt der Kollaborationen mit autoritären Regimen zum Zwecke der Flüchtlingsabwehr.
Pressekontakte:
· Ali Moradi, Sächsischer Flüchtlingsrat, T. 0351-87451710, <link>info@saechsischer-fluechtlingsrat.de
· Martin Link, Flüchtlingsrat Schleswig-Holstein, m. 0160 235 91 06, <link>ml@frsh.de, <link http: www.frsh.de>www.frsh.de