Anlässlich des bundesweiten Tags des Flüchtlings am 29. September fordert der Flüchtlingsrat Schleswig-Holstein die aktuellen menschenfeindlichen Debatten um die Abwehr Geflüchteter zu beenden. Es gilt zu einer den Gefahren für Freiheit, Leib und Leben, denen Menschen weltweit zu entkommen versuchen, angemessenen Diskussion über bedarfsgerechte Strategien bundesdeutscher Geflüchtetenpolitik zurück zu kehren. Stattdessen müssen wir erleben, dass sich eine breite Koalition auch in den bürgerlichen Parteien in Diskursen einen Überbietungswettbewerb darüber leisten, wie die Zugänge zum Asylgrundrecht vereitelt und im Asylverfahren Erfolglose in die Höllen, aus denen sie entkamen, schnellstens wieder abgeschoben werden können.
Während Bundeskanzler der geplanten EU-Krisenverordnung das Wort redet, die dazu führt, dass wenn die Not am größten wird, noch weniger, als regelmäßig zugestanden, sich hierher in Sicherheit bringen können, hetzt Friedrich Merz (CDU) in unverschämtem AfD-Sprech gegen eine angemessene Gesundheitsversorgung von Geflüchteten und reanimiert die Mär vom Pull-Faktor Sozialsystem.
In Folge solcher Behauptungen sind Politik und willfährige Medien allerdings für die zunehmend ablehnende Stimmung gegen Geflüchtete mitverantwortlich und bereiten dem Zuwachs gewalttätiger Übergriffe auf Asylunterkünfte und auf als fremd gelesene Menschen den Boden. Im 1. Halbjahr 2023 wurden 80 politisch motivierte Angriffe auf Unterkünfte und 704 Straftaten gegen Asylsuchende außerhalb von Unterkünften polizeilich registriert.
"Zuwanderung muss als gesellschaftlicher Mehrwert anerkannt werden. Abschottungspolitik und die aktuelle feindselige Rhetorik spalten die Gesellschaft und gefährden die Solidarität mit geflüchteten Menschen", erklärt Martin Link, Geschäftsführer beim Flüchtlingsrat Schleswig-Holstein.
Denn Grund für den Anstieg der Fluchtmigration ist eben nicht das vermeintlich großzügige deutsche Asylrecht, sondern die wachsende Zahl an Kriegen – nicht nur in der Ukraine – Krisen, Katastrophen, Repression, Gewalt und wirtschaftlicher Not in vielen Regionen der Welt. 2016 waren laut UNHCR weltweit 65,5 Millionen Menschen auf der Flucht, 2022 waren es 108,4 Millionen. Davon verbleibt nach wie vor der größte Anteil in den Herkunftsregionen, aber bei steigender Gesamtzahl schaffen es natürlich auch mehr in den globalen Norden. Seit 25 Jahren sind schon mehr als 35.597 Menschen auf der Flucht ums Leben gekommen. Gleichzeitig zwingt die aktuell von der Politik unisono verlangte Kappung der bestehenden Fluchtzugänge nach Europa und nach Deutschland Menschen auf noch gefährlichere und absehbar noch opferreichere Routen.
Mit Blick auf die globalen Schutzbedarfsentwicklung sind aber flexible, humane und lösungsorientierte Ansätze bei der Aufnahme geflüchteter Menschen das Gebot der Stunde. Die weder praktisch noch finanziell umsetzbare "Rückführungsoffensive" (BMI) muss in die Mottenkiste, Aufnahmeprogramme für besonders Gefährdete müssen wirkungsvoll umgesetzt werden, Bleiberechte für Geduldete müssen über das Chancenaufenthaltsrecht hinaus geschaffen werden, die themenfremden Zuständigkeiten und die allzu oft ermessensnegative Entscheidungspraxis der Ausländerbehörden müssen auf den Prüfstand und die drohenden drastischen Kürzungen im Bundes- und im Landeshaushalt 2024 für Asylberatung und Migrationsbereich müssen abgewendet werden.
gez. Martin Link, Flüchtlingsrat Schleswig-Holstein e.V., T. 0431-5568 5640, public[at]frsh.de