Morgen jährt sich zum 85. Mal die Reichspogromnacht vom 9. November 1938. Vor dem Hintergrund eines um sich greifenden Antisemitismus, der zu einem enormen Anstieg antisemitischer Angriffe in den letzten Wochen geführt hat und der für Jüdinnen und Juden in Deutschland zu einer immer größeren Bedrohung wird, rufen wir dazu auf, sich dem Antisemitismus und jeder Ausgrenzung auf Grundlage religiöser oder ethnischer Zuschreibungen deutlich entgegen zu stellen. Jüdische Menschen in Deutschland brauchen unsere uneingeschränkte Solidarität!
Mehr als 7.000 Geschäfte von Jüdinnen und Juden wurden in der Nacht vom 9. auf den 10. November 1938 in Deutschland angegriffen, beraubt und zerstört. 1.400 Synagogen wurden geplündert und in Brand gesetzt. Auch in vielen Orten in Schleswig-Holsteins, z.B. in Kiel, wurden Jüd*innen gedemütigt, beraubt oder misshandelt. Mehr als 1.300 Menschen starben im Zuge der Novemberpogrome in Deutschland. Mit der Reichspogromnacht setzten die Nazis ihre Politik der Entrechtung der Menschen jüdischen Glaubens fort, die mit der „Machtergreifung“ 1933 begann und mit der millionenfachen Ermordung in Todesfabriken und im Zuge von systematischen Massakern der SS und Teilen der Wehrmacht endete.
Über die Verfolgungsgeschichte in Schleswig-Holstein, die sich gegen Jud*innen, Sinti, Kriegsgefangene oder Zwangsarbeiter*innen richtete, forschen und berichten die Gedenkstätten im Bundesland: https://gedenkstaetten-sh.de/gedenkstaetten
Gedenken heißt Erinnern – und Erinnern heißt hier, sich der eigenen Geschichte und auch ihrer Verlängerung in anderen Weltenorten zu vergewissern, um Lehren aus der Vergangenheit, für die Bewältigung gegenwärtiger gesellschaftlicher Konfliktlagen und für unsere Zukunft zu ziehen – für eine offene, diskriminierungsfreie, tolerante, solidarische und diverse Einwanderungsgesellschaft. Die Novemberpogrome von 1938 mahnen uns, dass wir unsere Stimme gegen die Ausgrenzung von Minderheiten erheben müssen – heute und immer wieder. Gerade in einer Zeit, in der sich neuer Rechtsextremismus wieder breit macht, in der Antisemitismus und Rassismus zunehmen, sollten wir nicht schweigen, wegschauen, Vorgänge in unserem Land verharmlosen oder Minderheiten für soziale oder politische Fehlentwicklungen als Sündenböcke verantwortlich machen, sondern mutig und aktiv für Menschenrechte und Menschenwürde von uns allen eintreten.
gez. Team und Vorstand des Flüchtlingsrats Schleswig-Holstein e.V.