Unsere Forderung nach einer gesetzlichen Verankerung der Sprachmittlung basiert auf ethischen und rechtlichen Argumenten. Die gleichberechtigte Teilhabe an der Gesundheitsversorgung ist im Grundgesetz gegenüber der öffentlichen Gewalt in Art. 3 verankert sowie für die private Sphäre aus dem allgemeinen Gleichbehandlungsgesetz ableitbar (14, A15). Aus dem im Jahr 2013 verabschiedeten Patientenrechtegesetz ergeben sich konkretere Anforderungen an die behandelnde Fachkraft bezüglich der Behandlungsaufklärung, aus der die Notwendigkeit einer ausreichenden sprachlichen Verständigung eindeutig abzuleiten ist (16). Während die Kostenübernahme für Gebärdensprachmittlung mittlerweile im SGB I gesetzlich geregelt wurde (§ 17 Abs. 2 SGB I) (17), ist der Bedarf an Sprachmittlung für Patient:innen ohne ausreichende Deutschkenntnisse nicht berücksichtigt worden. Die aktuelle Rechtsprechung verortet die Sprachbarriere bzw. deren Lösung in der privaten Sphäre der Patient:innen (18). Eine Kostenübernahme für Sprachmittlung ist allein für Empfänger:innen von Grundleistungen nach dem Asylbewerberleistungsgesetz (19) möglich, liegt jedoch im Ermessen des:er Sachbearbeiter:in.
Wir vertreten die Ansicht, dass der fehlende rechtliche Anspruch auf Sprachmittlung in der Gesundheitsversorgung und die aktuelle Rechtslage zur Kostenübernahme von Sprachmittlung bestehende strukturelle Benachteiligungen von Menschen mit nicht ausreichenden Deutschkenntnissen im Gesundheitswesen verfestigen und somit unter dem Gesichtspunkt des strukturellen Rassismus zu betrachten sind. Auch im 2017 veröffentlichten „Nationalen Aktionsplan gegen Rassismus“ (20) wird diese Position vertreten. Die erneute Initiative für die Sicherung des Anspruchs auf Sprachmittlung im Gesundheitswesen hat über TransVer-neXus 4 im Sommer 2021 begonnen. Im Koalitionsvertrag 2021–2025 der Bundesregierung wird erklärt, dass „Sprachmittlung auch mit Hilfe digitaler Anwendungen [...] im Kontext notwendiger medizinischer Behandlung Bestandteil des SGB V“ (21, S. 84) wird. Wir greifen dies als Forderung auf und schlagen folgende zentrale Schritte zu ihrer Umsetzung und damit zum Abbau von strukturellem Rassismus und Diskriminierung vor.
Download:Langfassung der Stellungnahme und Forderungen v. 14.12.2022