Die geplante Kindergrundsicherung ist ein wichtiges Projekt gegen Kinderarmut, schließt aber viele Kinder aus und verstärkt dadurch bereits bestehende Chancenungleichheiten. Denn geflüchtete Kinder, die ohnehin schon sozial benachteiligt werden, weil sie kein Kindergeld bekommen, sollen nun auch von der Kindergrundsicherung ausgeschlossen werden.
Aktuell wird ein Gesetzentwurf zur Kindergrundsicherung diskutiert, der zeitnah im Kabinett beschlossen werden soll. PRO ASYL, Flüchtlingsrat Schleswig-Holstein und die anderen Landesflüchtlingsräte sind empört, dass von der wichtigen Maßnahme, die laut dem Familienministerium„Kinder besser vor Armut schützen und gleiche Chancen schaffen” soll, ausgerechnet geflüchtete Kinder ausgenommen werden sollen.
“Schon jetzt leben geflüchtete Kinder oft prekär – für andere Kinder normale Aktivitäten oder Anschaffungen sind für sie nicht denkbar. Das wurde besonders während der Corona-Lockdowns sichtbar, weil insbesondere in Lagern wohnverpflichtete geflüchtete Minderjährige nach wie vor i.d.R. keinen WLAN-Zugang haben die notwendigen technischen Geräte für die chancengleiche Teilnahme am Schulunterricht nicht anschaffen können. Der geplante Ausschluss geflüchteter Kinder von der Kindergrundsicherung ist Teil einer unwürdigen und auf Abschreckung gerichteten Sozialpolitik“, kommentiert Wiebke Judith, rechtspolitische Sprecherin von PRO ASYL.
Die neue Kindergrundsicherung soll das bisherige Kindergeld (künftig: Kindergarantiebetrag) um einen einkommensabhängigen Kinderzusatzbetrag ergänzen, der gegebenenfalls den bisher über die Sozialhilfe oder das Bürgergeld gesicherten Lebensunterhaltsbedarf von Kindern abdecken soll. Laut einem Eckpunktepapier aus dem Familienministerium von Januar 2023 war eigentlich vorgesehen, auch Kinder, die bisher nur Leistungen nach dem Asylbewerberleistungsgesetz bekommen, in die Kindergrundsicherung einzubeziehen.
„Mit dem angestrebten Gesetz soll offenbar eine tückische Melange aus Geflüchtetenabschreckung und Kinderdiskriminierung angerührt werden“, mahnt Martin Link, Geschäftsführer beim Flüchtlingsrat Schleswig-Holstein.
Nach den aktuellen Plänen der Bundesregierung sollen nun jedoch die Kinder asylsuchender und geduldeter Eltern ganz aus der Kindergrundsicherung rausfallen. Darüber hinaus sollen auch die Kinder ausgeschlossen werden, deren Eltern zum Beispiel bestimmte humanitäre Aufenthaltstitel oder wegen Überlastung der Ausländerbehörden „nur“ eine Fiktionsbescheinigung besitzen. Dies gilt auch dann, wenn die Kinder selbst ein dauerhaftes Aufenthaltsrecht besitzen oder Deutsche sind. Sie sollen weder das Kindergeld noch den einkommensabhängigen Kinderzusatzbetrag erhalten. Sie wären auch von der Kindergrundsicherung ausgeschlossen.
Illegitime sozialrechtliche Schlechterstellung
PRO ASYL, Flüchtlingsrat Schleswig-Holstein und die anderen Landesflüchtlingsräte kritisieren schon lange, dass nach Deutschland geflüchtete Menschen sozialrechtlich systematisch schlechter gestellt werden. Hierzu gehört insbesondere das Asylbewerberleistungsgesetz, welches deutlich niedrigere Leistungssätze als das Bürgergeld und zum Teil sogar entmündigende Sachleistungen statt Bargeld vorsieht. Weder die geltenden Regelungen noch die in der aktuellen Debatte häufiger gewordenen Rufe nach einer Streichung von Sozialleistungen sind mit dem Grundsatzurteil des Bundesverfassungsgerichts zum Asylbewerberleistungsgesetz vereinbar. In diesem wurde 2012 festgehalten, dass die Menschenwürde nicht aus migrationspolitischen Zwecken relativiert werden darf.
Sprich: Nur zur Abschreckung dürfen Sozialleistungen nicht klein gehalten werden. Für eine Abschaffung des diskriminierenden Sondergesetzes, das vor 30 Jahren geschaffen wurde, setzen sich der Flüchtlingsrat SH und derzeit weitere 200 Organisationen ein.
Weitergehende Informationen
Ausführliche Kommentierungen zum Gesetzesentwurf finden Sie beim Paritätischen Gesamtverband oder beim Portal Tacheles. Weitere Informationen beim Bündnis KINDERGRUNDSICHERUNG. gestrebte Gesetz ist eine melanche aus
Pressekontakt: Martin Link, Flüchtlingsrat Scleswig-Holstein e.V., public[at]frsh.de, T. 0431-5568 5640