In Deutschland leben aktuell mehr als 11 Mio. Menschen ohne deutsche Staatsangehörigkeit. 1,5 Mio von ihnen haben keinen deutschen Pass, obwohl sie hier geboren sind. Zugleich liegt die Einbürgerungsquote mit unter 2% im unteren Drittel der EU. Wenn Menschen, die seit Jahren hier leben oder hier geboren sind, nicht vor Abschiebung geschützt sind, nicht wählen dürfen und in ihrem Alltag zahlreichen Beschränkungen unterliegen, ist das nicht nur ungerecht, sondern auch ein massives Demokratiedefizit! Auch angesichts von rechtsterroristischen Anschlägen und Alltagsrassismus ist es zentral, dass vor allem jene, die davon betroffen sind, wählen und selbst politische Ämter wahrnehmen können. Nur wer wählt, zählt.
Der Flüchtlingsrat Schleswig-Holstein e.V. hat die Petition Pass(t) uns allen unterzeichnet und trägt die darin erhobenen Forderungen mit.
Die Petition fordert:
- Die deutsche Staatsangehörigkeit für alle Menschen, die in Deutschland geboren sind.
- Das Recht auf eine unbürokratische und kostenlose Einbürgerung für alle Menschen, die seit mindestens drei Jahren ihren Lebensmittelpunkt in Deutschland haben.
- Die Möglichkeit, mehrfache Staatsangehörigkeiten zu besitzen.
- Das aktive und passive Wahlrecht auf Bundes-, Landes- und kommunaler Ebene für alle Menschen, die ihren Lebensmittelpunkt seit mindestens drei Jahren in Deutschland haben.
HINTERGRUND
Deutschland hält an dem Abstammungsprinzip fest, wonach ein Kind die Staatsbürgerschaft seiner deutschen Eltern (oder zumindest eines Elternteils) automatisch erhält. Diese Regelung basiert auf dem rassistischen Prinzip der Blutsverwandtschaft (ius sanguinis). Für Kinder ausländischer Eltern ist die deutsche Staatsangehörigkeit an Voraussetzungen geknüpft. Mindestens ein Elternteil muss seit acht Jahren über ein Aufenthaltsrecht verfügen. Diese Praxis verhindert, dass tausende Kinder die deutsche Staatsangehörigkeit erhalten – und das teilweise über Generationen hinweg. So sind auch Menschen, die hier geboren wurden, staatenlos, von Abschiebung bedroht oder wurden bereits abgeschoben - in Länder, deren Sprache sie oft nicht sprechen, wo sie niemanden kennen und häufig diskriminiert werden. Dass es auch anders möglich ist, zeigen 33 Länder weltweit, in denen ein uneingeschränktes Geburtsortprinzip gilt. Das heißt, Kinder, die dort geboren werden, erhalten sofort die Staatsangehörigkeit. Unabhängig von der Staatsangehörigkeit und dem Aufenthaltsstatus der Eltern.
- Wir fordern: Ein uneingeschränktes Geburtsortprinzip – Pass(t) uns allen!
Aktuell sind die Voraussetzungen für eine Einbürgerung unnötig hoch. So können Armut, der Verlust der Wohnung, des Arbeitsplatzes oder das Fahren ohne Fahrschein schon Gründe dafür sein, die Einbürgerung verwehrt zu bekommen. Wie schnell die Einbürgerung erfolgt, unterscheidet sich von Bundesland zu Bundesland - teilweise von Kommune zu Kommune - und ist von der für den Antrag zuständigen Person abhängig. Ein häufig langwieriger, demütigender und intransparenter Prozess. Doch eine unbürokratische Einbürgerung ist möglich. Das zeigt das Beispiel von Millionen “(Spät) Aussiedler*innen”. Wir sollten von dieser positiven Erfahrung lernen.
- Wir fordern die Abschaffung aller Einbürgerungshürden – Pass(t) uns allen!
Die Aufgabe der bisherigen Staatsangehörigkeit/en als Voraussetzung für die Einbürgerung hält derzeit viele Menschen davon ab, sich einbürgern zu lassen. Wir leben in einer Gesellschaft, in der es selbstverständlich ist, dass nicht alle Kinder deutsche Eltern haben, dass Menschen migrieren und bleiben, an mehreren Orten zu Hause sind und gesellschaftliche Prozesse, wo sie sind, mitgestalten. Genauso sollte es selbstverständlich sein, mehrere Staatsangehörigkeiten zu besitzen. Für viele ist eine doppelte Staatsangehörigkeit bereits Alltag und stellt kein größeres Problem dar. Dass diese Möglichkeit nicht für alle besteht, ist ungerecht und diskriminierend.
Wir fordern Mehrfachstaatsangehörigkeiten – Pass(t) uns allen!Wer sich einbürgern lassen will, muss seit mindestens acht Jahren mit einem unbefristeten Aufenthaltsrecht oder einer auf Dauer angelegten Aufenthaltserlaubnis in Deutschland leben. Die Ampel-Koalition hat angekündigt, den Erwerb der Staatsangehörigkeit zu vereinfachen und “bei besonderen Integrationsleistungen” schon nach drei Jahren zu ermöglichen. Das reicht nicht aus! Der Erwerb der Staatsangehörigkeit darf weder von vermeintlichen “Integrationsleistungen” noch vom Aufenthaltsstatus abhängen. Statt einer Hierarchisierung von gesellschaftlicher Teilhabe und Sondergesetzen, wie dem Asylverfahrens- oder Asylbewerberleistungsgesetz, müssen alle gleiche Rechte haben: Das Recht, ohne Angst vor Abschiebung zu leben, den Wohnort frei wählen zu können, Zugang zu gesundheitlicher Versorgung zu haben, zu reisen und das Leben selbstbestimmt zu gestalten.
- Wir fordern ein Recht auf Einbürgerung nach drei Jahren für alle, die ihren Lebensmittelpunkt in Deutschland haben – Pass(t) uns allen!
Selbst wählen zu können oder sich zur Wahl aufstellen zu lassen, ist der Grundpfeiler einer Demokratie. Alle, die von politischen Entscheidungen betroffen sind, müssen diese beeinflussen können, auch wenn sie sich nicht für eine Einbürgerung entscheiden. Das Wahlrecht darf nicht von der deutschen Staatsangehörigkeit, dem Pass abhängen, sondern davon, wo Menschen leben. Bereits seit den 70er Jahren kämpfen Migrant*innen für ein Wahlrecht für alle. Es wird Zeit, dass es endlich Realität wird.
- Wir fordern Wahlrecht für alle – Pass(t) uns allen!
Zur Unterzeichnung der Petition "Pass(t) uns allen!: innn.it/PasstUnsAllen