Eine Syrerin hatte vom Bundesamt für Migration und Flüchtlinge (BAMF) lediglich subsidiären Schutz zugesprochen bekommen und beim Verwaltungsgericht Schleswig (VG) erfolgreich dagegen geklagt.
Das BAMF ist in Berufung gegangen. Das Oberverwaltungsgericht (OVG) bestätigte heute in Schleswig die Entscheidung des BAMF und wies die Klage mit dem Hinweis ab, "es gebe keine gesicherten Anhaltspunkte dafür, dass abgeschobenen Rückkehrern grundsätzlich ungeachtet besonderer persönlicher Umstände oppositionelle Tätigkeit unterstellt werde".
Das Vorbringen der aufgelösten Frau, ihr Ehemann sei auf der Flucht von der Nusra-Front entführt und unter Anwendung von Gewalt verhört worden, wovon eine Videoaufzeichnung im Fernsehen und im Internet veröffentlicht wurde, berücksichtigte das Gericht nicht. Sie hätte das alles ja auch schon dem BAMF vortragen können. "Einmal mehr beweist sich hier, dass der Anspruch, Asylsuchende müssten bei der Erstanhörung im BAMF alles wichtige vollständig vortragen, für Asylsuchende allzu oft zur Falle wird", kritisiert Andrea Dallek vom Flüchtlingsrat Schleswig-Holstein. Es wird auch in diesem Fall deutlich, wie wichtig eine rechtzeitige und fundierte Verfahrensberatung für die Asylantragstellenden noch vor der Anhörung ist.
Das OVG Schleswig erklärt zum Fall: "In der mündlichen Urteilsbegründung führte die Vorsitzende des 3. Senats aus, die dem Gericht vorliegenden Auskünfte böten keine ausreichende Grundlage für die Annahme, dass Rückkehrern allein wegen ihres Auslandsaufenthaltes und der Asylantragstellung mit beachtlicher Wahrscheinlichkeit politische Verfolgung drohe."
Der Flüchtlingsrat Schleswig-Holstein bedauert, dass das OVG Schleswig hier der Argumentation des BAMF folgt. Der dem Gericht bekannte Bericht des Auswärtigen Amtes macht im Ergebnis deutlich: sie wissen nichts - denn ohne vorort-Präsenz ist es faktisch nicht möglich ist, eigene Erkenntnisse zur Lage in Syrien und bestehenden Risiken zu sammeln.
Entgegen dem Gericht ist der Flüchtlingsrat der Überzeugung, dass solcherart Erkenntnislosigkeit nicht als Beleg dafür genommen werden könne, dass den Rückkehrenden keine politische Verfolgung in Syrien drohe. Vergeblich verwies die Anwältin der Klägerin darauf, dass laut Deutschem Orientinstitut die nach Syrien Rückkehrenden Befragungen unterzogen werden, in denen es auch zu Übergriffen kommt.
Nicht infrage gestellt wurde auch durch das OVG, dass sich die Situation in Syrien sich nicht geändert habe. Allerdings habe das BAMF seine Einschätzung mit Blick auf bestehende Rückkehrrisiken geändert - was ihm nach Meinung der OVG frei stehe.
"Dass das BAMF einfach ohne Belege seine Einschätzung zur Gefährdung ändern kann, offenbart das politische Kalkül, welches solchem willkürlichen Bewertungswechsel eigentlich zugrunde liegt." beklagt Andrea Dallek, denn "subsidiär Geschützte haben jahrelang keinen Anspruch auf Familiennachzug und robustes Bleiberecht mit Zukunftsperspektive!"
Die Klägerin brach bei Urteilsverkündigung - wohl nicht zuletzt im Gedanken an ihre vier in der Türkei unter prekären Bedingungen zurückgelassenen Kinder - in Tränen aus.
gez. Andrea Dallek