Mit Zustimmung der Bundesregierung hat das Europäische Parlament am 10.4.2024 der Verschärfung des „Gemeinsamen Europäischen Asylsystems“ (GEAS) zugestimmt. Hier handelt es sich um den Frontalangriff auf das Rechtstaatsprinzip und das nationale und europäische Flüchtlingsrecht.
Die AG Stopp GEAS Schleswig-Holstein bleibt bei ihrer Ablehnung eines solchen Gemeinsamen Europäischen Asylsystem, das künftig:
- auf dem Verordnungswege eine Rechtslage geschaffen wird, die den Mitgliedsstaaten keinen Spielraum bei abweichenden Vorschriften lässt.
- auf Grundlage einer Fiktion der Nichteinreise an den EU-Außengrenzen geschlossene Lager geschaffen werden, in denen Schutzsuchende inhaftiert und u.a. ohne Zugang zu Beratungs- und medizinischen Versorgungsangeboten isoliert werden.
- dass dort Kinder und auch unbegleitete minderjährige Geflüchtete inhaftiert werden. Der Schutz dieser Minderjährigen kann so nicht gewährleistet werden und sie sind der Gefahr von Übergriffen und Ausbeutung ausgesetzt.
- kein Asylverfahrenszugang besteht, sondern in sogenannten Grenzverfahren zunächst nur die technische Zulässigkeit eines Asylgesuchs geprüft werden soll und ein Ausschluss alle ereilt, die über einen vermeintlich sicheren Drittstaat eingereist sind, aus einem Staat mit weniger als 20 Prozent Asylanerkennungsquote kommen, keinen Pass haben oder über 12 jährige Kinder sind. Ein effektiver Rechtsschutz ist ausgeschlossen.
- das Dublin-System nicht nur durch verlängerte Fristen zusätzlich verschärft wird, sondern auch unbegleitete Kinder rücküberstellt werden und ihr Rechtsschutz massiv eingeschränkt wird.
- willkürlich solche – auch autokratische – Staaten zu sogenannten sicheren Drittstaaten erklärt werden können, selbst wenn vielfältige Gefährdungslagen herrschen, wenn es keinen Arbeitsmarktzugang, keine legale Wohnsitzgarantie und kein Recht auf Familieneinheit gibt, aber dorthin Pushbacks stattfinden möglich sind.
- die Schutzsuchenden – anstatt einer Glaubhaft-machung zu genügen – die volle Beweislast darüber trifft, welche drohenden Gefährdungen für Leib, Leben und Freiheit in dem vermeintlich sicheren Drittstaat ihnen drohen.
- zwischen den EU Mitgliedsstaaten (MS) keinen effektiven Solidaritätsmechanismus gibt, sondern die MS sich mit Ablasszahlungen oder durch die Mitfinanzierung brachialer Grenzmilitärs in Drittstaaten aus der Aufnahmepflicht von Asylbe-werber*innen stehlen können.
- Rückübernahmeabkommen mit Dritt- und Her-kunftsstaaten geschlossen werden, ohne diese an Bedingungen (z.B. Verbot von exekutiver Willkür oder Kettenabschiebung), Kontroll- und Evaluierungsinstrumente und Rechenschaftspflichten zu binden.
- dann, wenn die Not an Kriegsgewalt in Herkunftsländern, an Naturkatastrophen oder anderen Überlebensnöten und damit die Schutz-bedarfe der Menschen am größten sind, per Aussetzung der Verfahren und Eskalation der Pushback-Praktiken die Abschottung der EU gegen Geflüchtete auf die Spitze getrieben wird.
- auf Grundlage des Rechts und einer menschen-feindlichen Bürokratie sich absehbar mehr Schutz-suchende in die Illegalität flüchten, anstatt eine bedarfsgerechte schutzgewährende und sozial angemessene Aufnahme zu erhalten.
Die AG Stopp GEAS Schleswig-Holstein lehnt die Verschärfung des Gemeinsamen Europäischen Asylsystems auch als geschichtsvergessen ab.
Die Kritik der AG Stopp GEAS Schleswig-Holstein gilt auch mit Blick auf die offensichtlichen Versuche des Europäischen Rats und der EU-Kommission mit der geplanten restriktiven Rechtslage einwanderungsfeindliche und rechtsextremistische Interessengruppen innerhalb der EU rechts zu überholen.
Europa ist dabei, seine hart errungenen und in Reaktion auf den Nationalsozialismus entwickelten Werte nur noch für die eigenen Bürger*innen gelten zu lassen, nicht aber internationalen Schutzsuchenden zugänglich zu machen. Die europäischen Prinzipien werden aufgeweicht und Menschenrechte degenerieren mit der Reform des GEAS zu willkürlichen leeren Hülsen. Europa entwickelt sich in den menschenfeindlichen Zustand zurück, den die Weltgemeinschaft unter anderem mit der Genfer Flüchtlingskonvention nie wiederaufkommen lassen wollte. Dabei gilt es, gerade mit Blick auf das aktuelle Erstarken rechter und rechtsextremistischer Kräfte in den EU Mitgliedsstaaten Solidarität mit Schutzsuchenden zu zeigen.
Die AG GEAS Schleswig-Holstein hat eine ausführliche Stellungnahme zum neuen Gemeinsamen Europäischen Asylsystem erarbeitet.
Kontakt: AG Stopp GEAS Schleswig-Holstein, c/o Flüchtlingsrat SH, T. 0431-5568 5640, public[at]frsh.de