Im gelaufenen Bundestagswahlkampf haben migrationspolitische Themen bei den demokratischen Parteien – jedenfalls in der öffentlichen Diskussion und in der Straßenwerbung – kaum eine Rolle gespielt.
Die kurze öffentliche Debatte zu Afghanistan bildete die Ausnahme zur Regel. Allerdings genügten sich auch hier die Beiträge allzu oft in reflexhaftem Alarmismus und der Behauptung angeblicher Alternativlosigkeit von Flüchtlingsabschottung und der Notwendigkeit einer diesbezüglich restriktiv zugespitzten Innen-, Außen- und Europapolitik.
Differenziertere Aussagen zur Migrations- und Integrationspolitik kommen zwar in den Wahlprogrammen der demokratischen Parteien vor, wirken dort aber eher versteckt und nicht in den Vordergrund gerückt.
Die sich jedoch objektiv – allein mit Blick auf die fortschreitende Überalterung und die Arbeitskräftebedarfsentwicklung – dynamisch entwickelnden Zuwanderungs- und integrationspolitischen Handlungsbedarfe der bundesdeutschen Einwanderungsgesellschaft blieben im öffentlichen Bundestagswahlkampf ausgeblendet.
„Für uns war diese, einem zentralen Politikfeld gegenüber verweigerte Aufmerksamkeit der demokratischen Parteien und Kandidat*innen im Wahlkampf irritierend“, erklärt Martin Link, Geschäftsführer beim Flüchtlingsrat Schleswig-Holstein. Das gelte insbesondere, weil Migrationspolitik von der Mehrheit der Bevölkerung durchaus positiv besetzt und als herausragend wichtig bewertet werde (siehe z.B. ARD-Deutschlandtrend 2020 und 2021). Nach wie vor bildet der migrationsfeindliche Bodensatz in Gesellschaft und Parteienspektrum nur eine Minderheit.
Im schleswig-holsteinischen Bundestagswahlkampf wäre Flüchtlings- und Einwanderungspolitik wohl überhaupt nicht in seriöser Qualität zur Sprache gekommen, hätten nicht zivilgesellschaftliche Organisationen die demokratischen Parteien beim öffentlichen <link https: www.frsh.de schlepper der-schlepper-nr-101 external-link-new-window external link in new>Hearing am 17. August nachdrücklich vor Kameras und Mikrofone gebeten.
Aber schon 7,4 Mio. Menschen aus eingewanderten Familien sind wahlberechtigt – immerhin 12 Prozent aller Wahlberechtigten. Tendenz steigend. Dass viel mehr Menschen wahlberechtigt sein sollten, wird von Migrant*innenorganisationen und Wissenschaft schon lange gefordert und beschäftigt inzwischen auch den <link https: www.frsh.de artikel stellungnahme-zu-landtagsantraegen-zum-wahlrecht external-link-new-window external link in new>schleswig-holsteinischen Landtagtypo3/.
Doch dass die Wahlberechtigten mit Migrationsgeschichte nicht nur die Themen Klima und Einkommensentwicklung, sondern auch eine zielgerichtete Integrationspolitik, gerechte Teilhabe, diskriminierungsfreie Zukunftschancen und eine nichtrassistische Gesellschaft umtreiben, ist von den Parteien – ungeachtet bestehender Risiken für den gesellschaftlichen Zusammenhalt – im Wahlkampf weitgehend vernachlässigt worden. Über alle Parteigrenzen hinweg gilt unter den Wahlkampfstrateg*innen offenbar: „Das machen wir Autochthonen unter uns aus!“.
Ob es Ursache oder Wirkung dieser Fehlstellung ist, dass in den Parteien nur wenige Mitglieder mit Migrationsgeschichte anzutreffen sind und diesen ggf. nur selten aussichtsreiche Kandidaturen oder Listenplätze zugestanden werden, bleibt Spekulation.
Doch zumindest in Schleswig-Holstein heißt es: nach der Wahl ist vor der Wahl! Mit Blick auf die im Mai 2022 anstehenden Landtagswahlen bestehen für die Parteien noch alle Möglichkeiten, sich im Wettbewerb um die Stimmen auch zu den Anliegen von immerhin einem Fünftel der Bevölkerung konstruktiv und öffentlich zu positionieren.
„Bei der Identifizierung relevanter flüchtlings- und einwanderungspolitischer Handlungsbedarfe stehen wir der Landespolitik gern unterstützend zur Seite“, verspricht Martin Link.
gez. Martin Link, <link>public@frsh.de • <link http: www.frsh.de>www.frsh.de • Tel: 0431-55685640