Noch bevor das Asylpaket II in Kraft getreten ist, entwickelt sich bereits das Verwaltungshandeln in den Ländern zu Lasten von Schutzsuchenden: Willkürliche Verweigerung von Integrationschancen, Lagerhaltung statt Wohnungsunterbringung, Rollback zu Residenzpflicht und Arbeitsverboten, zunehmender Druck zur „freiwilligen“ Rückkehr und verstärkte Abschiebungen (auch bei schweren Erkrankungen). Das betrifft Kriegsflüchtlinge, Folterüberlebende und Schutzberechtigte u.a. aus Somalia, Afghanistan, Jemen, Nigeria oder den sogenannten sicheren Herkunftsländern.
Die Praxis ist uneinheitlich. So gilt in Bayern nach wie vor ausnahmslos Lagerunterbringung und das vom Verfassungsgericht gerügte Sachleistungsversorgungsprinzip für die Dauer des Asylverfahrens. In Schleswig-Holstein hingegen beweisen die Quote von 75% in privaten Wohnungen untergebrachter Flüchtlinge und ein flächendeckendes staatlich finanziertes Beratungsangebot für alle Schutzsuchenden, dass es auch anders geht.
Allerorten beklagen insbesondere Kriegsflüchtlinge die für Hunderttausende geltende jahrelange Verfahrensdauer und die faktische Aussetzung des Familiennachzugs. Anerkannte Flüchtlinge erleben, dass die deutschen Botschaften regelmäßig ihren Rechtsanspruch auf Familienzusammenführung unterlaufen, Angehörigen monate-, allzu oft jahrelang keine Termine zur Vorsprache gewähren oder wegen fehlender Dokumente oder anderer bürokratischer Kniffe ein Visum verweigern.
Das zuständige Bundesamt für Migration und Flüchtlinge ist mit der Situation, dass fast eine Million Asylsuchende noch auf Antragstellung, Anhörungstermine und Entscheidungen über ihr Asylgesuch warten, vollkommen überfordert.
Die Landesflüchtlingsräte fordern ein Umsteuern in der Flüchtlingspolitik:
- Öffnung von Fluchtwegen und sofortige Beendigung der humanitären Katastrophen an den europäischen Grenzen
- Im Zuge einer unbürokratischen Regelung sollen alle Asylverfahren durch Erteilung von Aufenthaltstiteln beendet werden - im Interesse aller Schutzsuchenden, die auf Entscheidungen warten und zur Entlastung des Bundesamtes für Migration und Flüchtlinge.
- Eine unbürokratische und leicht zugängliche Bleiberechtsregelung für die ca. 120.000 Geduldeten in Deutschland.
- Sicherstellung einer unabhängigen professionellen Verfahrensberatung für alle Schutzsuchenden in allen Aufnahmeeinrichtungen.
- Sicherstellung der Qualität von Asylprüfungen: es bestehen erhebliche Bedenken, dass dies in Schnellverfahren gewährleistet werden kann.
- Jedem Flüchtling muss der Nachzug seiner Familie unbürokratisch und zügig ermöglicht werden.
- Teilhabemöglichkeiten (Sprachkurse, Zugang zu Wohnungen, Bildung und Erwerbstätigkeit) von Anfang an für alle Schutzsuchenden gewährleisten.
- Residenzpflicht und Wohnsitzauflage sollen im humanitären Interesse der Betroffenen und einer nachhaltigen Integration aufgehoben werden.
- Abschiebungen und der behördliche Druck zur vermeintlich freiwilligen Rückkehr werden eingestellt.