Angesichts der Gefährdung, die mit einer Übermittlung der Daten syrischer Staatsangehöriger an die syrische Botschaft einher gehen könnten, hat das Kieler Justizministerium die Ausländerbehörden des Landes und der Kommunen mit Erlass vom 22. Juni[1] aufgefordert, auf eine Identitätenklärung bei betroffenen SyrerInnen zu verzichten.
Stattdessen sollen die zuständigen Ämter aufenthaltsberechtigten Personen aus Syrien, die nicht über gültige syrische Pässe verfügen, einen Ausweisersatz (Reiseausweis) ausstellen.
Der Flüchtlingsrat begrüßt diese - offenbar zwischen Bund und Ländern abgestimmte - Verwaltungsmaßnahme. “Allerdings ist es kaum nachvollziehbar, dass ausgerechnet geduldete syrische Flüchtlinge im Erlass ausgenommen werden.” wundert sich Martin Link, Geschäftsführer beim Flüchtlingsrat Schleswig-Holstein.
Die Flüchtlingsorganisation erinnert daran, dass seit Jahren nicht jede/r offensichtlich vom syrischen Staat Verfolgte oder bei Rückkehr an Leib und Leben Gefährdete Asyl erhalten hat. Zahlreiche Betroffene wurden zu Ausreisepflichtigen erklärt und zum Teil über Jahre mit dem aufenthaltsrechtlichen Stigma der Duldung belegt. Damit wurden die Angst vor der Abschiebung und vielfältige Integrationshürden zu ihren ständigen Begleiterinnen.
Dass darüber hinaus das zwischen Deutschland und der syrischen Familiendiktatur geschlossene Rücknahmeabkommen - trotz aller inzwischen auch vom Auswärtigen Amt eingestandenen Gefahren, die von syrischen Stellen gegen hierzulande asylsuchende Landsleute ausgehen - nicht aufgekündigt wird, verurteilt der Flüchtlingsrat als menschenrechtliche Unerträglichkeit.
Doch "wir brauchen eine neue, akzeptierende Willkommenskultur, die sich auch im konkreten Verwaltungshandeln widerspiegelt.” heisst es im Kieler Koalitionsvertrag, der für das künftige Regierungshandeln verspricht: “Wir werden den bundesgesetzlichen Ermessensspielraum ausschöpfen...”.[2]
“Mit dem aktuellen Erlass scheint eine erste Chance verpasst, den Worten konsequente Taten folgen zu lassen.” gibt sich Martin Link enttäuscht. Doch mit der bzgl. der Zielgruppe ermessensmöglichen Bereitschaft, Reiseausweise für geduldete syrische Flüchtlinge auszustellen, hätte ein echtes Stück Willkommenkultur Gestalt gewinnen können, das den begründeten Sorgen der betroffenen Personen und Familien gerecht würde.
gez. Martin Link, Flüchtlingsrat Schleswig-Holstein e.V.
<link file:167 download herunterladen der datei>Presseerkärung als pdf-Datei
[1] <link file:168 download herunterladen der datei>Erlass vom 22. Juni 2012: "Aktuelle Situation in Syrien; Zumutbarkeit der Erlangung von Nationalpässen"
[2] <link file:1086 download herunterladen der datei>Koalitionsvertrag 2012-2017; S. 55