Offenbar gut unterrichteten Kreisen zufolge ist seit letztem Dienstag auf dem Sportplatz der Erstaufnahmeeinrichtung in Neumünster ein 300 qm großes Zelt zur Unterbringung neu ankommender Asylantragsteller errichtet. Zunächst sollen ca. 50 allein reisende Männer darin unterkommen, die in dieser mit Feldbetten ausgestatteten und geheizten, aber Wind und Wetter im Besonderen ausgelieferten Behausung jeweils nicht nur den anstehenden Herbst erleben werden. Denn die vom Innenministerium in Kiel verschiedentlich angekündigte Erweiterung der Erstaufnahmeeinrichtung durch sogenannte Modularbauten (Container) soll nach dem Flüchtlingsrat vorliegenden Informationen nicht vor 2017 umgesetz werden.
Der Flüchtlingsrat SH lehnt die Unterbringung von Flüchtlingen - zumal von durch Gewalterfahrungen und Kriegserlebnisse nicht selten schwer traumatisierten Menschen - in Zelten und anderen nichtfesten Behausungen entschieden ab.
Dass die Landeserstaufnahmestelle für Asylsuchende in der Scholz-Kaserne Neumünster erheblich in Anspruch genommen wird, ist aufgrund der sich schon seit 2008 absehbaren Asylzugangszahlen wenig überraschend. Das macht auch der aktuelle Bericht der Landesregierung "Menschenwürdige Unterbringung sichern!" deutlich. Außenstellen der Erstaufnahme könnten nach Presseberichten jetzt nach Kiel, Boostedt oder Lütjenburg kommen. Der Flüchtlingsrat SH stimmt mit Kommentatoren dahingehend überein, dass Boostedt als Standort einer großen Erstaufnahme mit Blick auf die kleine Gemeinde völlig deplatziert ist. Gleiches muss u.E. für das ebenfalls in diesem Zusammenhang ins Gerede gekommene Lütjenburg konstatiert werden.
Für die Erstaufnahme von Asylsuchenden sind aus Sicht des Flüchtlingsrates, des Landesflüchtlingsbeauftragten und der Wohlfahrtsverbände folgende Kriterien genauso wie für die dezentrale Unterbringung beachtlich: notwendig sind urbane Standorte mit den für den Aufnahme- und Integrationsprozess zuträglichen Strukturen (ÖPNV-Anbindung, alle Schulen, Sprachförderangebote, bedarfsgerechte medizinische Versorgungsangebote, Bildungs- und Beratungsangebote von Migrationsfachdiensten) sowie eine behördenunabhängige Asyl-Vertfahrensberatung. Solche Standards sind auf dem "platten Land" nicht vorhanden.
Ein offenbar von der Stadt Kiel angedachtes Mischkonzept zur vorübergehenden Gemeinschaftsunterbringung von Asylsuchenden und anderen eine endgültige Wohnung Suchenden (z.B. Studierenden) erscheint hingegen zielführend. Bespiele von solchen Konzepten gemischter Unterbringung von Flüchtlingen mit anderen Gruppen sind erfolgreich. Der Flüchtlingsrat betont allerdings, dass die endgültige Unterbringung der Opfer von Gewalt, Krieg und politischer Verfolgung in privaten Wohnungen das Ziel bleiben muss.
Dass der Innenminister darüber hinaus jetzt verkündet, wegen der Amtshilfeersuchen anderer Bundesländer auf das Einsperren von ausreisepflichtigen Flüchtlingen in der Rendsburger Abschiebungshaft könne die angestrebte Schließung der Abschiebungshaft mittelfrstig nicht erreicht werden, bestätigt den Flüchtlingsrat in der schon mit PE vom 20.7.2014 geäußerten Befürchtung, dass hier im Nachgang zur europäischen Rechtsprechung Tatbestände geschaffen werden, die auf die auf Dauer angelegte Beibehaltung der Abschiebungshaftanstalt hinauslaufen.
Der Flüchtlingsrat Schleswig-Holstein protestiert gegen den so betriebenen Fortbestand des Rendsburger "wilhelminischen Zuchthauses" (Breitner) als Abschiebungsgefängnis und fordert das ultimative Ende dieser Form des Freiheitsentzuges für Menschen, die sich nichts haben zu Schulden kommen lassen, als an ihnen nicht zugestandenem Ort Schutz zu erhoffen.
gez. Martin Link