Anlässlich einer Fachtagung von Innenministerium, Flüchtlingsrat, Landesflüchtlingsbeauftragtem und den Wohlfahrtsverbänden zur dezentralen Unterbringung von Asylsuchenden in Schleswig-Holstein hat <link http: www.schleswig-holstein.de im de service presse pi>Innenminister Andreas Breitner am 4. April im Kieler Landeshaus ein mit 20 Millionen Euro ausgestattetes Landesförderprogramm zum Bau neuer Wohnunterkünfte für Flüchtlinge angekündigt. Darüber hinaus sollen für Renovierung und Umbau bestehender Gemeinschaftsunterkünfte 2 Millionen bereitgestellt werden.
Die Landesregierung erwartet eine weitere Zunahme von Asylanträgen für Schleswig-Holstein auf bis zu 4.700 im laufenden Jahr. Als kurzfristige „Kapazitätserweiterung“ seien der Ankauf von ehemaligen Kasernen von der Bundesanstalt für Immobilienaufgaben und der Neubau von „Modulbauten“ – was wohl Containern heißen soll – am Standort der Erstaufnahmeeinrichtung des Landes in Neumünster geplant.
Erklärtes Ziel hierbei sei laut Breitner, dass Flüchtlinge nicht mehr – wie aktuell der Fall – in die Kreise und kreisfreien Städte weiterverteilt würden, bevor sie ihre Asylanhörung in der Neumünsteraner Außenstelle des Bundesamtes für Migration und Flüchtlinge gehabt hätten.
„Die angekündigten Investitionen dürfen nicht dazu führen, dass Flüchtlinge wieder monatelang, bis zu Jahren, in Massenunterbringung in der Erstaufnahmeeinrichtung des Landes oder anderen Gemeinschaftsunterkünften zubringen müssen,“ mahnt Astrid Willer vom Flüchtlingsrat Schleswig-Holstein. Ihre Organisation lehne Container zur Unterbringung von Schutzsuchenden grundsätzlich ab und empfehle – eingedenk der Lebensqualität und auch der weitaus geringeren Kosten – die Unterbringung in Wohnungen.
Der Flüchtlingsrat begrüßt allerdings, dass auch das Land den Verbleib in Gemeinschaftsunterkünften allenfalls bis zu 6 Monaten für zumutbar hält. „Bleibt zu hoffen, dass das auch später in der Not akuter Sachzwänge nicht aufgeweicht werden wird,“ gibt Martin Link, Geschäftsführer beim Flüchtlingsrat, zu bedenken.
Astrid Willer verweist auf das <link file:1436>Eckpunktepapier das der Flüchtlingsrat gemeinsam mit dem Landesflüchtlingsbeauftragten und den Wohlfahrtsverbänden im Oktober 2013 vorgelegt hatten. Darin wird gefordert, dass Flüchtlinge nicht auf’s platte Land, sondern in Mittelzentren mit integrationsfördernden Strukturen untergebracht werden.
„Die Menschen sollten dort wohnen, wo sie guten Zugang zum ÖPNV, zu Schulen, medizinischer Versorgung, Beratung und Angeboten zur Integration in Bildung und Arbeit haben.“ erklärt Willer. „Die bis dato meist übliche Verteilung allein nach den am Bevölkerungsanteil errechneten Quoten führt für Viele in die soziale Isolation.“
Zwangsläufig sei eine solche Qualität der Verteilung nicht, erklärt auch Innenminister Breitner: „Entgegen mancherorts eingeschliffener Verwaltungspraktiken muss sich die Verteilung und Unterbringung von Flüchtlingen nicht ausschließlich an kommunalen Quoten orientieren.“ erklärt Breitner und sieht Steuerungsspielräume. Das Landesrecht sehe eindeutig vor, dass bei der Verteilung durch die Kreise die qualitativen Aufnahme- und Betreuungsmöglichkeiten zu berücksichtigen seien. „Diese Spielräume gilt es sinnvoll durch die Kommunen auszufüllen.“ mahnt Breitner.
Die Interessen der Landesregierung stünden keiner an Integrationsbedarfen der Flüchtlinge orientierten kommunalen Unterbringungspraxis entgegen, bestätigt auf Nachfrage auch Norbert Scharbach, Abteilungsleiter im Innenministerium. „Wer es besser machen will und kann, darf das auch!“ versichert Scharbach den zahlreichen Vertreterinnen und Vertretern von Kommunen und Gemeinden im Saal. Das Land werde sich – selbstverständlich unter Berücksichtigung der Unabhängigkeit der kommunalen Landesverbände – nachdrücklich bei den Kommunen für die Entwicklung und Umsetzung bedarfsgerechter qualitativer Standards bei Aufnahme und Unterbringung von Asylsuchenden und Flüchtlingen einsetzen.
Es besser zu machen als in der Vergangenheit, hat sich die Gemeinde Norderstedt im Kreis Segeberg längst vorgenommen. Sozialdezernentin Anette Reinders referierte den Tagungsteilnehmerinnen und –teilnehmern ihre Planungen für die künftige Unterbringung und das schon jetzt praktizierte Willkommensmanagement – und liefert damit ein best-practise-Beispiel für kommunales Handeln:
So sollen in Norderstedt nicht allein zentral und gut im sozialen Umfeld verortete, flexibel nutzbare Wohnungsneubauten entstehen, die sowohl Familien als auch alleinstehenden erwachsenen Flüchtlingen ihren individuellen und gemeinsamen Bedarfen zuträgliche Wohnqualität bieten. Darüber hinaus werden Flüchtlinge in Norderstedt schon jetzt – im Zuge eines in Kooperation von Verwaltung, Migrationsfachdiensten und Ehrenamtlichen umgesetzten Willkommensmanagements – durch interkulturelle Teams begrüßt, beraten und begleitet.
Der Flüchtlingsrat zieht eine positive Tagungsbilanz: Vielfältige Alternativen seien durch die Beiträge und Diskussionen zu guten Beispielen – sowohl aus anderen Bundesländern wie aus Schleswig-Holstein – deutlich geworden. Eine sich abschottende Verwaltungspraxis bei der Flüchtlingsaufnahme sollte wo immer möglich, zugunsten von heterogenen Netzwerken, bei denen öffentliche Stellen, Fachdienste freier Träger und ehrenamtlich Engagierte eng und dynamisch zusammenarbeiten, abgelöst werden. „Die Tagung hat gezeigt, dass dies ein Erfolgsmodell bei der Etablierung einer tatsächlich nachhaltigen Willkommenskultur für Flüchtlinge vor Ort und auf Landesebene sein kann“, zieht Martin Link Bilanz.
Die <link uploads media flyer_tagung-unterbringung_sh_4-4-2014_web.pdf>Fachtagung „Die Unterbringungssituation von Asylsuchenden in Schleswig-Holstein – Handlungsbedarfe“ wurde vom
- vom Flüchtlingsrat Schleswig Holstein e.V.,
- dem Innenministerium Schleswig-Holstein,
- dem Landesbeauftragten für Flüchtlings-, Asyl- und Zuwanderungsfragen Schleswig-Holstein und
- der LAG der Freien Wohlfahrtsverbände Schleswig-Holstein
veranstaltet. Die Tagung war mit über 150 TeilnehmerInnen, insbesondere aus Landes- und kommunalen Verwaltungen, ausgebucht.
Sämtliche Beiträge fließen in eine Dokumentation ein, die von den VeranstalterInnen zeitnah veröffentlicht werden wird.
gez. Martin Link