Forderung von Oberlandesgericht Schleswig und Kieler Flüchtlingsrat nach Reisefreiheit
Jussef A. versteht die Welt nicht mehr: Der Kurde war kurz zu Besuch bei Freunden in Skandinavien gewesen und nun auf dem Rückweg nach Frankreich, wo sein Asylverfahren läuft und seine Ehefrau lebt. An der deutsch-dänischen Grenze bei Flensburg wird er vom Bundesgrenzschutz kontrolliert und in Abschiebehaft genommen: Da man nicht sicher sei, dass Herr A. sich tatsächlich zurück nach Frankreich begibt, soll die Rückreise behördlich und gemäß der Dublin-Verordnung organisiert werden: das heißt zunächst Abschiebehaft und “Rückführung” erst, nachdem die französischen Behörden die Aufnahme akzeptieren. Für Herrn A. läuft dieses Vorhaben auf sieben Wochen Knast hinaus.
In den Genuss des freien Personenverkehrs innerhalb der EU kommen nur die privilegierten EU-BürgerInnen. Diese müssten schon einiges an “krimineller Energie” vorweisen, wollen sie mit Freiheitsentzug von mehreren Monaten belegt werden, - ohne Bewährung und ohne die genaue Dauer der Haft bei Beginn mitgeteilt zu bekommen.
Das Verbot der Reisefreiheit von Flüchtlingen innerhalb der EU dient keinem rational nach-vollziehbaren Ziel: Längst sorgt die zwischen den EU-Mitgliedsstaaten verabredete erken-nungsdienstliche Behandlung einreisender Flüchtlinge dafür, dass eine mehrfache Beantra-gung von politischem Asyl in verschiedenen Ländern ausgeschlossen ist. Die Kosten dieses “Reiseverbotes” sind dagegen immens: Die Zellen des schleswig-holsteinischen Abschiebe-knastes sind i.d.R. zur Hälfte belegt mit Personen, die sich einer Reise innerhalb der EU schuldig gemacht haben.
Der Flüchtlingsrat Schleswig-Holstein hält die starken Einschränkungen der Bewegungsfrei-heit für unangemessen und unverhältnismäßig. Dies sind Maßnahmen, die der öffentlichen Stigmatisierung der betroffenen Flüchtlinge als vermeintlich “Kriminelle” Vorschub leisten. Elementare Bürgerrechte werden ihnen vorenthalten.
Herr A. hatte übrigens Glück im Unglück: Die Richter des Schleswiger Oberlandesgerichtes bescheinigtem ihm jüngst ( <link abschiebmaterial olg_schleswig12012005.pdf _blank>2. Zivilsenat OLG Schleswig AZ: 2W 311/04 vom 12.1.2005 ), dass seine Inhaftierung zum Teil rechtswidrig war.
Der Flüchtlingsrat Schleswig-Holstein schließt sich dieser Einschätzung an und fordert zum Europaweiten Aktionstag für Bewegungsfreiheit und Bleiberecht - in Übereinstimmung mit dem Schleswiger OLG - Flüchtlingen, die sich legal in einem europäischen Land aufhalten, im Zweifel mit Reisefreiheit anstatt mit Abschiebungshaft zu begegnen.
gez. Bernhard Karimi