Fluchtgründe, -wege und -umstände von Mädchen und Frauen sind unterschiedlich und komplex. Regelmäßig unterscheiden sie sich jedoch von denjenigen männlicher Geflüchteter, insofern Mädchen und Frauen aufgrund von weltweiten Menschenrechtsverletzungen geschlechtsspezifischer Gewalt im Heimatland, auf der Flucht und auch in hiesigen Unterkünften ausgesetzt sein können. Geflüchtete Frauen und Mädchen haben oft ein hohes Maß an sexueller Bedrohung, Gewalt sowie von Abhängigkeits‐ und Ausbeutungsverhältnissen erlebt. Sie werden Opfer von Menschenhandel, Arbeitsausbeutung und Zwangsprostitution. Seit 2005 ist es möglich, geschlechtsspezifische und nichtstaatliche Verfolgung als Asylgrund geltend zu machen. Weiterhin sind Frauen jedoch zu wenig über diese Möglichkeit informiert
„Dringend notwendig sind daher geschlechtssensibel durchgeführte Asylverfahren sowie ein Ausbau von Beratungsangeboten für das Verfahren, die sich dezidiert an Frauen richten“, so Martin Link vom Flüchtlingsrat Schleswig-Holstein. Um weibliche Flüchtlinge zu schützen und um mit durch Gewalt ausgelösten Traumata umzugehen, bedarf es zudem einer flächendeckenden Etablierung von geschlechtshomogenen Schutzräumen in den Sammelunterkünften, der Systematisierung von Schutzkonzepten sowie langfristiger und zielgruppengerechter Zugänge zu medizinischen und therapeutischen Hilfeangeboten.
Arbeitsmarktintegration
Auch im Netzwerk<link http: mehrlandinsicht-sh.de external-link-new-window external link in new> „Mehr Land in Sicht! Arbeit für Flüchtlinge in Schleswig-Holstein“ werden weiterhin deutlich weniger Frauen beraten als Männer. „Dies ist insofern besonders bedauerlich, als berufliche Integration vielfach als Kerndimension der Teilhabe in unserer Gesellschaft wahrgenommen wird. Arbeit schafft hierzulande Anerkennung und Selbstbewusstsein. Für Geflüchtete generiert sie außerdem eine Unabhängigkeit vom Asylbewerberleistungsgesetz und schafft unter bestimmten Umständen ein Bleiberecht“, sagt Özlem Erdem-Wulff, Koordinatorin des Netzwerks.
Geflüchtete Frauen haben eine ähnlich hohe Bleibeabsicht und Teilhabemotivation wie Männer. Sofern sie in einen familiären Kontext eingebettet sind, hängen ihre Integrationsstrategien jedoch regelmäßig stark vom Wohl der gesamten Familie ab. Eigener Spracherwerb und Arbeitsmarktzugang werden häufig zunächst zurückgestellt. Bedürfnisse weiblicher Flüchtlinge in der Integrationsförderung bleiben so „unsichtbar“ – teils weil betroffene Frauen Integrationsmaßnahmen nicht in Anspruch nehmen, teils weil die Maßnahmen die speziellen Situation von Frauen nicht berücksichtigen.
Arbeitsmarktintegration von geflüchteten Frauen in Deutschland und Schleswig-Holstein funktioniert derzeit am ehesten für Akademikerinnen, die im Heimatland schon berufstätig waren. Um mehr geflüchteten Frauen eine Arbeitsmarktintegration zu ermöglichen, ist es jedoch nötig, geschlechtssensible und praxisgerechte Angebote in der Berufshilfe zu schaffen. Aufgrund ihrer familiären Situation dauern Eingliederungsprozesse von Frauen oft länger. Deshalb sollten Programme, die auch Frauen als Zielgruppe haben, grundsätzlich längerfristig angesetzt werden und die Bedarfe junger Eltern, darunter Kinderbetreuung und Teilzeitqualifizierung, berücksichtigen. „Qualifizierte therapeutische Angebote für traumatisierte Frauen sind außerdem notwendig und sollten selbstverständlicher Bestandteil nachhaltiger Arbeitsmarktintegration für Frauen sein“, so Erdem-Wulff, „All dies muss natürlich unabhängig von der Bleibeperspektive der Einzelnen erfolgen“.