Im Umgang mit den Kriegsflüchtlingen aus der Ukraine beweisen Bund und Land, dass eine menschenwürdige Asyl- und Flüchtlingspolitik möglich ist. Anlässlich des Weltflüchtlingstags am 20. Juni fordert der Flüchtlingsrat Schleswig-Holstein, alle Schutzsuchenden gleich gut zu behandeln und ihnen eine gleichberechtigte gesellschaftliche Teilhabe zu ermöglichen. Die im Umgang mit ukrainischen Geflüchteten praktizierte Willkommenspolitik sollte als Blaupause dienen, um die Asyl- und Flüchtlingspolitik grundlegend neu zu gestalten.
Menschen, die aufgrund des Angriffs der russischen Truppen aus der Ukraine fliehen mussten, dürfen visumsfrei nach Deutschland einreisen und ihren Wohnort grundsätzlich selbst wählen, wobei sie bei der Wohnungssuche unterstützt werden. Sie bekommen schnell und unbürokratisch eine Aufenthalts- sowie Arbeitserlaubnis. Seit Juni erhalten sie bei Bedarf – wie alle anderen Menschen in Deutschland auch - Leistungen nach dem SGB II bzw. XII.
Geflüchteten aus anderen Ländern hingegen erfahren auf der Suche nach Schutz und Sicherheit weiterhin eine wesentliche schlechtere Behandlung: Sofern sie es überhaupt schaffen, die abgeriegelten Grenzen zu überwinden, werden sie gezwungen, ihren Asylantrag in sogenannten Erstaufnahmeeinrichtungen zu stellen, wo sie bis zu 18 Monate ausharren müssen. Doch auch nach einer Verteilung auf die Kommunen droht ihnen oftmals ein Leben ohne Privatsphäre in überfüllten Gemeinschaftsunterkünften. Eine Arbeitsaufnahme ist ihnen erst nach neun Monaten erlaubt, Sozialleistungen und Krankenversorgung werden ihnen nur eingeschränkt gewährt. Qualifizierte Sprachförderung ist ihnen erst nach rechtskräftiger Anerkennung ihres Asylgesuchs zugänglich.
Im Rahmen der von zahlreichen Organisationen hierzulande erwarteten Neuformatierung der Asyl- und Migrationspolitik ist es aus Sicht des Flüchtlingsrats Schleswig-Holstein essentiell, dass die künftige Landesregierung die Umsetzung der nachfolgenden Punkte gewährleistet bzw. sich gegenüber dem Bund dafür nachhaltig einsetzt:
1. Aufenthaltssicherheit statt Angst vor Abschiebung
- Die Anwendung des § 24 AufenthG auch Geflüchtete aus Kriegs- und Krisengebieten wie Afghanistan, Syrien, Somalia und Eritrea.
- Faire Asylverfahren, bei denen die Qualität Vorrang vor der Schnelligkeit hat und bei denen die Entscheidungen auf Grundlage von Tatsachen und nicht von politischen Vorgaben getroffen werden.
- Ein Bleiberecht für alle Menschen, die ihren Lebensmittelpunkt längst in Deutschland gefunden haben
2. Wohnen in Nachbarschaft statt Ausgrenzung in Lagern
- Die Einführung eines „Free Choice Systems“, bei dem Schutzsuchende ihren Wohnort dort nehmen dürfen, wo sie Angehörige oder Freunde haben.
- Die Verabschiedung von Aufnahmekonzepten, die allen Geflüchteten - so schnell wie möglich, spätestens jedoch nach drei Monaten - ein selbstbestimmtes Leben in den eigenen vier Wänden ermöglichen.
- Die Einführung von Schutzkonzepten in Sammelunterkünften, die effektiv vor Gewalt schützen und die Privatsphäre gewährleisten.
3. Gleichberechtige gesellschaftliche Teilhabe statt Diskriminierung
- Gleiche soziale Rechte für alle Geflüchteten, d.h. bspw.
- einen unverzüglichen Zugang zu Integrations- und Sprachkursen,
- das sofortige Recht, eine Arbeit aufzunehmen,
- Leistungen nach dem Sozialgesetzbuch statt nach dem Asylbewerberleistungsgesetz,
- Zahlung von Kinder-/Erziehungsgeld, BAföG etc. unabhängig von Aufenthaltsstatus
- Die Einführung einer elektronischen Gesundheitskarte und Gesundheitsleistungen nach dem Katalog der gesetzlichen Krankenkassen für alle.
4. Schaffung legaler und sicherer Fluchtwege statt Push-Backs
- die Erteilung von humanitären Visa insbesondere für vulnerable Schutzsuchende
- die Verabschiedung von Landes- und Bundesaufnahmeprogrammen für Schutzsuchende,
- die Angehörige oder Freunde in Deutschland bzw. Niedersachsen haben,
- die besonders gefährdet sind (Ortskräfte, Menschenrechts-aktivist:innen, Frauen etc.),
- die an den Außengrenzen der Europäischen Union in „Hotspots“ im Elend festgesetzt werden.
- die Wiedereinführung eines Rechts auf Familienleben für Geflüchtete: Schutzberechtigte Familien müssen zusammengeführt werden.
gez. Martin Link, Flüchtlingsrat SH, public@frsh.de, T. 0431-5568 4640