Der Antidiskriminierungsverband SH, das Diakonische Werk Schleswig-Holstein, die Flüchtlingsbeauftragte der Nordkirche, der Flüchtlingsrat, Fremde brauchen Freunde Husum, der Paritätische SH und die ZBBS unterstützen die nach Verlauten am Donnerstag, den 24. Februar (16 Uhr), im schleswig-holsteinischen Landtag diskutierten Anträge (Drs. 19/3626 und 19/3658) auf eine landespolitische Initiative zur Durchsetzung geltenden Rechts und menschenwürdigen Umgangs bei der Aufnahme Schutzsuchender an den EU-Außengrenzen. Anlass sind u.a. die im polnischen Grenzland oder in griechischen Gewässern üblichen Push Backs.
Die Organisationen unterstützen die Forderungen nach einer menschenrechtsbasierten Reform der EU-Grenzschutzagentur Frontex sowie ihrer verpflichtenden Beteiligung an der Seenotrettung im Mittelmeer, einer proaktiven Beteiligung der Mitgliedsstaaten bei der Aufnahme Geflüchteter innerhalb der EU und zur Schaffung wirksamer und von Überlebensrisiken sicherer Wege zur Einwanderung Schutzsuchender nach Europa.
Die Organisationen fordern die Landesregierung auf, mit dem Ziel einer künftig völkerrechtstreuen, humanitären und bedarfsgerechten Flüchtlingsaufnahme ihre Möglichkeiten zur Einflussnahme auf den Bund und mittelbar auf den Europäischen Rat zu nutzen.
"Die menschenverachtende Politik des belarussischen Machthabers macht deutlich, wie dringend die Europäische Union endlich ein humanitäres Konzept für Asyl und Migration braucht“, sagt Diakonie-Vorstand Heiko Naß zur Situation an der polnisch-belarussischen Grenze. „Es kann nicht sein, dass die Schwächsten als Geiseln genommen werden und ihr Leid politisch missbraucht wird." Nicht zuletzt die akute Entwicklung in der Ukraine mache eine substanzielle und umgehende Umsteuerung der EU-Flüchtlingsaufnahmepolitik unbedingt notwendig.
„Wir hoffen, dass die Anträge in einen fraktionsübergreifenden gemeinsamen, mit den Geflüchteten solidarischen Beschluss der demokratischen Parteien des schleswig-holsteinischen Landtags münden, und nicht im parteipolitischen Klein-Klein zwischen Koalition und Opposition zerrieben werden“, erklärt Martin Link, Geschäftsführer beim Flüchtlingsrat Schleswig-Holstein.
Weiterhin wird die Landesregierung von den Organisationen dringend aufgefordert, gegenüber den kommunalen und den Ausländerbehörden des Landes nachhaltig dahingehend vorstellig zu werden, dass Rücküberstellungen in die relevanten EU-Frontstaaten – insbesondere Griechenland, Polen, Rumänien, Bulgarien, Kroatien, Italien – ausgesetzt werden.
Hintergrund
Über 2.000 Menschen ertranken 2021 beim Versuch, nach Europa zu flüchten, im Mittelmeer – bis Mitte Februar 2022 schon weitere 156. Geflüchtete Männer, Frauen und Kinder werden seit Monaten im polnisch-belarussischen Grenzland rechtswidrig und gewaltsam zurückgewiesen, Unterstützende werden kriminalisiert und Betroffene sterben im Wald. Im bosnischen Grenzwald zu Kroatien hungern und frieren Flüchtende in informellen Camps und werden regelmäßig vom kroatischen Grenzschutz – mit Zustimmung der kroatischen Regierung – beim Versuch, sich in den EU-Mitgliedsstaat zu retten, brutal zurückgeprügelt. 19 Geflüchtete sind im griechisch-türkischen Grenzgebiet allein Anfang Februar zu Tode gekommen. Aktuelle Medienberichte darüber, dass die griechische Küstenwache Schutzsuchende nach erfolgter „Rettung“ einfach über Bord ins offene Meer zurückwirft, läuten die nächste Eskalationsstufe europäischer Flüchtlingsabwehr ein. Auch die UNO warnt vor einer Normalisierung illegaler Push Backs. Was da geschehe, sei sowohl rechtlich als auch moralisch inakzeptabel.
Schleswig-holsteinische Flüchtlingsorganisationen und Migrationsfachdienste sind angesichts dieses inzwischen zum Standard europäischer Flüchtlingsabwehr avancierten Umgangs mit Asyl- und Schutzsuchenden entsetzt.
Erschwerend werden zunehmend auch aus Schleswig-Holstein Betroffene in die besagten EU-Frontstaaten abgeschoben, obwohl Obergerichte mit Blick auf die dort herrschende bürokratische Menschenfeindlichkeit eine Rückkehr Geflüchteter in zahlreichen Fällen für unzumutbar erklärt haben.
Pressekontakt: Martin Link, Flüchtlingsrat SH, T. 0431-5568 5640, public@frsh.de