Anlässlich ihrer Frühjahrskonferenz von 16. bis 18. Juni 2021 im baden-württembergischen Rust richtet der Flüchtlingsrat Schleswig-Holstein dringende Forderungen an die Innenminister*innen aus Bund und Ländern.
Bei der 30. Jahreshauptversammlung des Flüchtlingsrats Schleswig-Holstein am 12. Juni 2021 begrüßten die Vereinsmitglieder die Fortführung des schleswig-holsteinischen Landesaufnahmeprogramms und die Ankündigung der Landesregierung, im August ein weiteres Kontingent von Geflüchteten aus dem Transitstaat Ägypten aufzunehmen.
„Insgesamt aber ist die Lage der Geflüchteten vor allem durch integrationsschädliches Lagerleben, besondere Betroffenheit durch die Pandemie, drohende Abschiebung in Risikogebiete und nationale Abschottung gegen Asylzuwanderung bestimmt“, erklärt Michael Wulf, Vorsitzender des Flüchtlingsrats Schleswig-Holstein e.V. Dazu kämen die zunehmend völkerrechtsrechtswidrigen Polizeipraktiken an den Außengrenzen Europas sowie Gewalt und Rechtlosigkeit in den Transit- und Herkunftsstaaten der Schutzsuchenden.
Vor diesem Hintergrund richtet der Flüchtlingsrat folgende Forderungen an die IMK:
Gesundheits- und Infektionsschutz: Gleichbehandlung für Geflüchtete!
- Dezentrales und selbstbestimmtes Wohnen anstatt Wohnverpflichtung in Sammelunterkünften.
- Ungehinderter Zugang zu Gesundheitsversorgung für alle geflüchteten und illegalisierten Menschen
- Aufsuchende muttersprachliche Impf-Aufklärung durch Vertrauenspersonen und niedrigschwellige Impfangebote für in Lagern und dezentral Wohnverpflichtete.
- Keine aufenthaltsrechtlichen Nachteile für Personen, deren Aufenthaltsrecht an ihre Erwerbstätigkeit geknüpft ist, wenn sie pandemiebedingt Arbeits- oder Ausbildungsstellen verlieren.
- Allgemeiner Abschiebungsstopp während der Pandemie, da regelmäßig die Gesundheitssysteme in den Zielländern überfordert sind und Abgeschobene dort einem extremen Infektionsrisiko anheimgestellt werden.
Afghanistan: Corona-Infektionsrate von über 30 Prozent der Bevölkerung und dynamisch eskalierende Gewalt und Rückkehrgefährdungen machen Abschiebungsstopp erforderlich
- Umgehender Abschiebungsstopp für Afghanistan und eine robuste Bleiberechtsregelung für Afghan*innen in Deutschland.
- Vollständige Aufnahme aller nach dem Abzug westlicher Truppen besonders gefährdeten Ortskräfte und ziviler ausländischer Subunternehmen.
Syrien: Keine Hintertüren für Abschiebungen
- Wiedereinführung des Abschiebungsstopps für Syrien, weil im gesamten Land vom Regime oder Aufständischen ausgehende Rückkehrrisiken herrschen, die humanitäre Lage katastrophal ist.
- Unbefristete Aufenthaltserlaubnisse für subsidiär Geschützte aus Syrien und vollen Zugang zum unbürokratischen Familiennachzug.
Keine Doppelbestrafung
- Strafverfolgung vor Abschiebung! Keine Abschiebungen von „Straftätern“ und „Gefährdern“, die lediglich als Einfallstor für die Abschiebung aller Ausreisepflichtigen nach Afghanistan oder Syrien dienen. Verdacht oder Verurteilung führen nicht zum Verwirken der Menschenrechte.
Konsequente Beachtung europäischer Rechtsprechung:
- Umgehende Umsetzung der sich aus dem EuGH-Urteil C-901/19 vom 10.6.2021 ergebenden Konsequenzen für eine seriöse Anerkennungspraxis bei Kriegsflüchtlingen wie aus Afghanistan, Syrien und anderenorts.
Familiennachzug
- Schnelle und unbürokratische Ermöglichung des Familiennachzugs insbesondere für Geflüchtete aus Kriegs- und Krisengebieten sowie solche in prekären Lagen in Transitstaaten.
Griechenland: Situation von Asylsuchenden und Anerkannten erfordert dringendes Handeln
- Keine Abschiebungen von Personen mit und ohne Schutzstatus in Griechenland, weil dort Obdachlosigkeit und Verelendung herrschen sowie rechtswidrige Pushbacks in die Türkei drohen.
- Wohnpflicht in Aufnahmeeinrichtungen für Anerkannte aus Griechenland beenden. Die Asylverfahren liegen auf Eis.
- Ermöglichung von Landes- und kommunalen Aufnahmeprogrammen für Menschen an den Außengrenzen der EU.
„Wir fordern die Innenminister*innen auf, sich nicht von rechtsextremen und rassistischen Parteien vor sich her in eine restriktive flüchtlingsfeindliche Haltung treiben zu lassen, sondern sich für eine integrations- und bleiberechtsorientierte Flüchtlingspolitik zu entscheiden“, appelliert Kirstin Strecker, stellvertretende Geschäftsführerin beim Flüchtlingsrat Schleswig-Holstein.
Der Flüchtlingsrat Schleswig-Holstein unterstützt die Protestaktion des zivilgesellschaftlichen Bündnisses unter dem Motto „Menschenrechte sind unverhandelbar“ und ruft zur Teilnahme an der Kundgebung auf, die am Freitag, 18. Juni um 11.30 Uhr am Bahnhof Ringsheim stattfinden wird (<link https: www.aktionbleiberecht.de>
).
gez. Martin Link, <link>public@frsh.de, T. 0431-5568 5640