Einerseits freut frau sich, dass z.B. in Kenia ein – noch so kleiner – Schritt gegen Gewalt an Frauen und Mädchen geschafft wurde. Dort haben fünf Kenianerinnen zwischen 15 und 17 Jahre alt, eine App entwickelt. Darüber können von Gewalt und Verstümmelung betroffene Frauen Informationen über Genitalverstümmelung erhalten. Die App zeigt nächstliegende medizinische Hilfeangebote an.
Nicht minder erfreulich ist auch, dass in Indiens Hauptstadt Delhi, ein Projekt auf effektive Weise von Vergewaltigung Bedrohten neuerdings schnelle Unterstützung leistet. „Raftaar“, zu Deutsch ‚Geschwindigkeit‘, heißt das Projekt. 600 Polizist*innen auf Motorrädern, ausgestattet mit GPS-Sendern, Pfefferspray und Schusswaffen setzen Zeichen gegen sexuelle Gewalt und sind im Notfall schnell zur Stelle.
Das ist die eine Seite der Medaille!
Andererseits fliehen jährlich zig-millionen Frauen aus ihrer Heimat. Etwa 50 Prozent aller Flüchtlinge sind Frauen und Mädchen. Sie werden Opfer von Unterdrückung und Verfolgung aus politischen und religiösen Gründen. Andere Gründe, die Frauen zur Flucht treiben, sind genitale Verstümmelung oder Vergewaltigungen sowie sexuelle Übergriffe, Hunger oder Folter.
Tagtäglich werden Frauen – selbst auf dem Fluchtweg – Opfer von Gewalt und Menschenhandel. Gerade in Krisen- und Kriegsregionen sind eine Zunahme der Gewaltbereitschaft und systematische und extrem gewalttätige sexualisierte Ausbeutung zu beobachten. Dazu kommen auch patriarchale soziale und gesellschaftliche Strukturen, die die Rechte von Frauen missachten und ihnen das Leben unerträglich machen.
Angst ist der ständige Begleiter von Frauen und umso unerträglicher ist es, wenn genau diesen von Benachteiligung und Diskriminierung geflohenen Frauen hierzulande, wo sie sich nach erfolgreicher Flucht sicher wähnen, kein Recht auf Schutz zugesprochen wird. Im Gegenteil: Fluchtgründe werden infrage gestellt und Berichten von Folter, sexuellem Mißbrauch oder Vergewaltigung die Verfolgungsintensität abgesprochen.
Zudem werden geflüchtige Frauen unzureichend informiert. Der Stellvertreter des Flüchtlingsbauftragten des Landes Schleswig-Holstein Torsten Döhring beklagte schon vor Jahresfrist: „Die Ursache für die wenigen offiziell Schutzbedürftigen mit geschlechtsspezifischen Gründen liegt vor allem an mangelnder Information. Frauen wüssten oft nicht, ‚welche Gründe zu einer eigenständigen Anerkennung als Flüchtling‘ führen könnten. Vielen sei nicht bewusst, dass Zwangsverheiratung, Genitalverstümmelung oder häusliche Gewalt ein Schutzgrund sein können.“
Das ist andere Seite der Medaille.
Hierzulande verweigerter Familiennachzug treibt Frauen und Kinder regelmäßig auf risikoreiche Fluchtwege, in die Boote und allzu oft in einen nassen Tod. Es ist beschämend, dass auch die mächtigste Politikerin in Europa, nicht in der Lage oder bereit ist, den Schutz von Frauen zur CHEF-Sache zu machen und zumindest den Frauen, die es nach Deutschland schaffen, den Zugang zu ihren Grundrechten und zu berechenbarem Schutz zu gewährleisten.
Doch nach wie vor gilt: Gemessen am Bruttoinlandsprodukt nimmt Äthiopien die meisten Flüchtlinge auf. Demgegenüber haben die sechs reichsten Länder der Erde, die USA, China, Japan, Deutschland, Frankreich und das Vereinigte Königreich nicht einmal 9% der Flüchtlinge aufgenommen, die weltweit auf der Suche nach Schutz umherirren.
ForMeToo! fordern geflüchtete Frauen. Da schaffen wir mehr, Frau Bundeskanzlerin!
gez. Farzaneh Vagdy-Voß, Flüchtlingsrat Schleswig-Holstein e.V., T. 0431-735 000, office@frsh.de