„Der aktuelle Bericht des UNHCR über die sicherheitsrelevante Lage in Afghanistan rechtfertigt eine solche Entscheidung nicht nur, sondern macht sie unumgänglich“
, erklärt Martin Link, Geschäftsführer beim Flüchtlingsrat Schleswig-Holstein.
Schon länger werden afghanischen Flüchtlingen hierzulande keine Bleibeperspektiven mehr zugestanden. Seit Anfang 2016 ist die Asylanerkennungsquote bei dem für die Prüfung der Asylanträge zuständigen Bundesamt für Migration und Flüchtlinge (BAMF) von bis dahin bereinigt noch 79 Prozent auf 47 Prozent abgestürzt. Asylanträge von mehr als 10.000 Männern, Frauen und Kindern wurden allein 2016 abgelehnt.
Mit der tatsächlichen Lage am Hindukusch ist das nicht zu erklären: Allein 2015 sind über 11.000 Verletzte und Tote gezählt worden. Die Opferzahlen unter Frauen stieg gegenüber dem Vorjahr um 37 Prozent an, unter Kindern um 14 Prozent. Allein zwischen März 2015 und März 2016 haben die Taliban 9.827 bewaffnete Aktionen gegen die Sicherheit des Landes durchgeführt. In 14 von 34 Provinzen herrscht offener Krieg, in weiteren 17 Provinzen finden regelmäßig Kampfhandlungen statt. Allein 2015 wurden jeden Monat über 500 afghanische Soldaten und Polizisten getötet. Bei der Armee ist das eine Verlustquote von 42 Prozent mehr als im Vorjahr. Durch Desertion und Überläufe verliert die Armee jährlich ein Drittel ihrer Soldaten.
1,6 Mio. weitgehend unversorgte Binnenvertriebene irren inzwischen im Land umher. Wo kein offener Krieg tobt, herrschen politisch motivierte Attentatsgewalt, straflose Vergewaltigungen und eine gut geölte Lösegeldindustrie. Selbst in Kabul, vom BMI wider besseres Wissen als „sicher“ für Rückkehrende klassifiziert, jagt ein erfolgreicher Anschlag mit jeweils zahlreichen zivilen Opfern den nächsten.
Nach Jahrzehnten des Kriegs sind die zivilisatorischen Standards in der Gesellschaft weitgehend degeneriert. In der Folge sind Frauen – zumal alleinstehende – quasi Freiwild. Das Auswärtige Amt beklagt in seinen Lageberichten regelmäßig exzessive, sehr oft sexualisierte Gewalt gegen Frauen und den Missbrauch von Minderjährigen. Jugendliche und junge Männer unterliegen der Zwangsrekrutierung seitens islamistischer und anderer Milizen – Familien, die sich dem verweigern, werden mit dem Tod bedroht und bestraft.
Unter den im Bundesland lebenden afghanischen Flüchtlinge breitet sich im Wissen um die Lage in der Heimat und unter dem Eindruck aktueller, offenbar vor allem parteipolitisch motivierter Debatten und administrativer Maßnahmen zu Abschiebungen zunehmend Panik aus.
Der Flüchtlingsrat begrüßt die Forderung Innenminister Studts nach einem durch das Bundesinnenministerium zu verfügenden Afganistan-Abschiebungsstopp und fordert die Landesregierung auf, notfalls einen landeseigenen Abschiebungsstopp zu erlassen.
Mehr Informationen zur Situation in Afghnanistan finden sich auf der web-Seite des Flüchtlingsrats: frsh.de/artikel/updated-abschiebungen-nach-afghanistan/
gez. Martin Link