Der Flüchtlingsrat Schleswig-Holstein begrüßt die Entscheidung der Landesregierung, die vom Bundestag vorgeschlagene Festlegung der drei Maghreb-Staaten Marokko, Algerien und Tunesien am kommenden Freitag im Bundesrat abzulehnen. Menschenrechtsorganisationen sind sich in der Einschätzung einig, dass in den drei genannten Maghreb-Staaten die Menschenrechte von politisch Andersdenkenden, Homosexuellen, Frauen regelmäßig verletzt werden. Zu befürchten ist, dass Einzelfälle von politischer Verfolgung nicht erkannt und nicht angemessen gewürdigt werden, wenn über die Asylanträge Schutzsuchender in Schnellverfahren entschieden wird. Wir fordern die Bundesregierung auf, sich den tatsächlichen Herausforderungen wie z.B. dem unzureichenden Angebot an Sprach- und Integrationskursen zu stellen, statt weiterhin Symbolpolitik zu betreiben. Im Mai kamen nur noch 374 Flüchtlinge aus den Maghreb-Staaten (185 Asylbewerber kamen aus Marokko, 134 aus Algerien und 55 aus Tunesien).
Das Bundesverfassungsgericht hat dem Gesetzgeber klare inhaltliche Vorgaben darüber gemacht, wann ein Land als „sicher“ gelten kann. In seinem Urteil von 1996 hat das Bundesverfassungsgericht die rechtlichen Voraussetzungen für „sichere Herkunftsstaaten“ festgelegt. Demnach muss der Gesetzgeber eine „antizipierte Tatsachen- und Beweiswürdigung vornehmen“, wobei das Grundgesetz bestimmte Prüfkriterien vorgibt, mithin die Rechtslage, die Rechtsanwendung und die allgemeinen politischen Verhältnisse in diesem Staat. Dabei hat er verschiedene Informationsquellen zu würdigen, beispielsweise UNHCR oder die Berichte des Menschenrechtszentrums der Vereinten Nationen. Nach der Rechtsprechung des Verfassungsgerichts gilt:
„Das Konzept sicherer Herkunftsstaaten gerät indes schon ins Wanken, wenn ein Staat bei genereller Betrachtung überhaupt zu politischer Verfolgung greift, sei diese auch (zur Zeit) auf eine oder einige Personen- oder Bevölkerungsgruppen begrenzt. Tut er dies, erscheint auch für die übrige Bevölkerung nicht mehr generell gewährleistet, dass sie nicht auch Opfer asylrechtlich erheblicher Maßnahmen wird.“
In seinem Urteil aus dem Jahr 1996 stellt das Bundesverfassungsgericht resümierend fest:
„Schafft der Gesetzgeber … für eine solche Behandlung von Asylanträgen die Grundlage, so muß diese so beschaffen sein, daß sich die Zurückweisung von Asylanträgen als offensichtlich unbegründet einschließlich des Verlustes des vorläufigen Bleiberechts mit guten Gründen auf sie stützen kann. Das bedingt ein bestimmtes Maß an Sorgfalt bei der Erhebung und Aufbereitung von Tatsachen […].“
Aus all dem wird deutlich, dass das BVerfG die Festlegung von sicheren HKL nur als Ausnahmeregelung bei eindeutiger Sachlage und nach gewissenhafter Prüfung für zulässig gehalten hat. Die (uferlose) Ausweitung der Liste der sog. sicheren HKL, wie sie politisch intendiert ist, widerspricht dem offenkundig.
gez. Martin Link Flüchtlingsrat Schleswig-Holstein e.V. T. 0431-735 000 ml@frsh.de www.frsh.de