Während landauf landab über Durchsetzungsstrategien einer Willkommenskultur für alle ZuwanderInnen nachgedacht wird, outet sich das Bundesinnenministerium mit aktuellen Gesetzentwürfen als Wahrer einer – möglicherweise vorschnell – überkommen geglaubten flüchtlingspolitischen Wagenburgmentalität.
Kaum bemüht, die Peitsche hinter dem Zuckerbrot zu verstecken, hat das BMI Ende April den <link http: www.bmi.bund.de shareddocs kurzmeldungen de sichere-herkunftstaaten.html externen link in neuem>Gesetzentwurf "zur Einstufung weiterer Staaten als sichere Herkunftsstaaten und zur Erleichterung des Arbeitsmarktzugangs für Asylbewerber und geduldete Ausländer“ im Kabinett durchwinken lassen. Darin ist insbesondere vorgesehen, eine Ankündigung des Koalitionsvertrages auf Bundesebene umzusetzen, nämlich dass Serbien, Mazedonien sowie Bosnien und Herzegowina als "sichere Herkunftsstaaten" eingestuft werden.
Der Flüchtlingsrat Schleswig-Holstein kritisiert die Gesetzesinitiative als angesichts der Lebens- und Diskriminierungswirklichkeit, die in den relevanten Staaten des Westbalkans insbesondere für Minderheitenangehörige bestehen, als zutiefst inhuman.
„Die Menschen, denen hier künftig quasi die genetisch bedingte Asylunwürdigkeit zugewiesen werden soll, wissen nicht, was sie die nächsten Tag essen, wie sie die ärztliche Behandlung ihrer Kinder bezahlen sollen oder ob sie den nächsten rassistischen Angriff überleben“, mahnt Martin Link, Geschäftsführer beim Flüchtlingsrat in Kiel.
Der Flüchtlingsrat sieht sich in seiner Einschätzung u.a. durch <link file:1447 externen link in neuem>PRO ASYL, das <link file:1449 externen link in neuem>VG Stuttgart und den <link file:161 download herunterladen der datei> Deutschen Anwaltsverein bestätigt.
Dass nach diesem Gesetzentwurf das "Arbeitsverbot", also die regelmäßige Frist, innerhalb derer keine Beschäftigungserlaubnis erteilt wird, für Personen mit Duldung und für Asylbewerber auf drei Monate abgesenkt werden soll, stelle in der Novelle allenfalls das Zuckerbrötchen dar, erklärt Link weiter.
Inzwischen macht das Bundesinnenministerium jedoch in diesem Stil weiter. Im <link file:159 externen link in neuem>Referentenentwurf eines Gesetzes "zur Neubestimmung des Bleiberechts und der Aufenthaltsbeendigung" wird Ende April 2013 rechtspolitisch Tabula Rasa angekündigt:
Der Flüchtlingsrat hatte die Ankündigung der Großen Koalition, eine gesetzliche Bleiberechtsregelung zu verabschieden, begrüßt. Immerhin leben noch immer 86.000 Menschen nur mit einer Duldung in Deutschland (in SH zum 31.12.2013 gut 2.200) – 36.000 davon länger als 6 Jahre.
„Der jetzt vorgelegte Gesetzentwurf aus dem BMI führt allerdings alle auf eine wirksame Bleiberechtsregelung Hoffende an der Nase herum“, gibt sich Martin Link enttäuscht. Der Entwurf einer Bleiberechtsregelung sei sichtbar bemüht, mittels einer ganzen Reihe von Verschärfungen die Hürden der künftigen Bleiberechtsregelung die so hoch zu legen, dass eine Vielzahl der betroffenen und langjährig hier lebenden Personen und Familien von der Regelung ausgeschlossen würden.
Im Übrigen eskaliert der Gesetzentwurf die Möglichkeiten der Exekutive, Menschen, die den in ihrer Heimat herrschenden Verfolgungen und Überlebensnöten durch Flucht nach Deutschland zu entkommen suchen, dafür mit Inhaftierung zu bestrafen und sie nach erfolgter Zurückweisung oder Abschiebung mit langjährigen Einreise- und Aufenthaltsverboten zu belegen.
Der Flüchtlingsrat fordert das Bundesinnenministerium auf, den Gesetzesentwurf zurückzuziehen und eine grundlegende Überarbeitung vorzunehmen.
Der Referentenentwurf ist aus Sicht des Flüchtlingsrates Schleswig-Holstein eine Kampfansage des BMI an PolitikerInnen und gesellschaftliche Kräfte, die noch von einem Paradigmenwechsel in der Flüchtlingspolitik träumen. Er stellt den roll-back in die 1990er Jahre dar, als unter Asylpolitik vor allem die soziale und administrative Ausgrenzung, Inhaftierung und Externalisierung der Schutzsuchenden verstanden und mit angeblichen nationalen Interessen gerechtfertigt wurden.
gez. Martin Link
Die vollständige Stellungnahme des Flüchtlingsrates SH zu den Gesetzentwürfen des BMI finden sie hier: