Damit beginnt für die Betroffenen - die aus Gründen des den Bundeswehrabzug aus Afghanistan rechtfertigenden dort angeblichen herrschenden Friedens, hierzulande regelmäßig kein Asyl zugesprochen bekommen - jetzt wieder die Zitterpartie vor der drohenden Heimat.
Dass die <link http: unama.unmissions.org portals unama external-link-new-window externen link in neuem> UNO Anfang des Jahres in Afghanistan jährlich tausende zivile Gewaltopfer beklagte, oder dass <link http: www.frsh.de fileadmin schlepper schl_71-72 s71-72_75-78.pdf external-link-new-window externen link in neuem>Flüchtlings- und <link http: www.fluechtlingshilfe.ch assets herkunftslaender mittlerer-osten-zentralasien afghanistan afghanistan-update-5.pdf external-link-new-window externen link in neuem>Menschenrechtsorganisationen zahlreiche Belege über dort gleichermaßen auf Heimische und Heimkehrende gemünzte Überlebensrisiken vorgelegt haben, nehmen die Innenbehörden allenfalls zur Kenntnis. Auch wenn die <link https: kabulblogs.wordpress.com afghan-minister-for-refugees-and-repatriation-stop-deportation-to-afghanistan external-link-new-window externen link in neuem>afghanische Regierung jüngst an die europäischen Auslandsvertretungen gewandt, die Rückkehr von Flüchtlingen nach Kabul mit Verweis auf deren Erpressbarkeit und die Unfähigkeit der Sicherheitsbehörden, die RückkehrerInnen zu schützen, ablehnt, veranlasst das kein Umdenken in der deutschen Innenpolitik.
Vor Inkrafttreten des Winterabschiebungsstopps hatte ein halbherziger und nirgends dokumentierter Beschluss der in Lübeck stattgefundenen Innenministerkonferenz aus November 2004 Abschiebungen nach Afghanistan nur nach einer sorgfältigen “Einzelfallprüfung” der innenbehördlichen Fachaufsicht und in sehr eingeschränktem Umfang zuzulassen, für eine zurückhaltende Abschiebungspraxis gesorgt. Die Betroffenen leben mit einer regelmäßig zu verlängernden “Duldung” in Deutschland.
Unter diesen Bedingungen galt und gilt eine Abschiebung als grundsätzlich möglich. Dies veranlasst Ausländerbehörden dort, wo und wenn sie es für richtig halten, Duldung nur kurz zu befristen oder ein Arbeitsverbot aufgrund fehlender Mitwirkung bei der Passbeschaffung zu verhängen. Dass im Herkunftsland an Freiheit, Leib und Leben gefährdete Flüchtlinge aus Angst vor einer möglichen Abschiebung sich scheuen, dabei auch noch mitzuwirken, muss kaum verwundern.
Die Innenministerkonferenz hat im Dezember 2014 den Beschluss zur “Einzelfallprüfung” bestätigt. Der Mehrwert eines Abschiebestopps sei nicht erkennbar, da es in den Jahren 2013 und 2014 ohnehin keine Abschiebungen nach Afghanistan gegeben habe. Auch das schleswig-holsteinische Innenministerium will nach Verlauten an der Praxis der Einzelfallprüfung festhalten. Dabei wird auf die Härtefallkommission und die erwartete gesetzliche Bleiberechtsregelung verwiesen, nach denen AfghanInnen bei gelungener Integration eine Chance auf einen Aufenthaltstitel hätten.
Tatsächlich begünstigt hiervon sind und wären indes nur diejenigen, die sich seit mehreren Jahren in Deutschland aufhalten und trotz fehlenden Anspruchs auf beispielsweise Sprachkurse eine Ausbildung oder Arbeit finden konnten. Afghanische Flüchtlinge, die die Mindestaufenthaltsdauer noch nicht erreicht haben oder die Bedingungen der Bleiberechtsregelung nicht erfüllen, ist dies nicht möglich.
Dass die Verweigerung eines Aufenthaltstitels trotz eines politisch begründeten Verzichts auf Abschiebung und damit die “Kettenduldung” der Flüchtlinge den im übrigen inzwischen parteiübergreifenden herrschenden Konsens von der Sinnhaftigkeit einer integrationsorientierten Flüchtlingspolitik konterkariert, zeigen die Zahlen der in Deutschland geduldeten Flüchtlinge aus Afghanistan und dem Irak. Beide Gruppen befinden sich in einer ähnlichen Situation. Rund 11.400 und damit 10% aller Geduldeten sind aus dem Irak und Afghanistan (Quelle: <link http: dip21.bundestag.de dip21 btd>BT-Drs. 18/3987). Von Einzelfällen lässt sich hier nicht mehr sprechen, eine “Einzelfallprüfung” ist angesichts dieser Größenordnung auch nicht sachgerecht.
Der Flüchtlingsrat Schleswig-Holstein fordert den Erlass eines landeseigenen Abschiebestopps für Personen aus Afghanistan.
Die beste Lösung wäre die behördliche Feststellung, dass eine Rückkehr von Flüchtlingen nach Afghanistan und in den Irak derzeit unzumutbar und daher aus rechtlichen Gründen nicht möglich ist. Damit wäre den Ausländerbehörden die Erteilung einer Aufenthaltserlaubnis nach § 25 Abs. 5 Aufenthaltsgesetz möglich.
Die Verhängung eines formalen Abschiebestopps würde immerhin die Verfestigung des Aufenthalts zumindest perspektivisch fördern und den Weg bereiten für eine mögliche Integration.
"Ein solcher Abschiebungsstopp wäre eine angemessene Ouvertüre für die am 6. Mai geplante Flüchtlingskonferenz", erklärt Martin Link, Geschäftsführer beim Flüchtlingsrat Schleswig-Holstein. Bei der Konferenz will die Landesregierung einen "Pakt" für die nachhaltige Integration von Flüchtlingen besiegeln. "Die afghanischen Flüchtlinge würden an diesem Ziel erfolgreicher Flüchtlingsintegration gern mitwirken - wenn man sie nur ließe," ist Martin Link überzeugt.
gez. Martin Link