Der Flüchtlingsrat begrüßt die <link http: www.schleswig-holstein.de stk de service rede external-link-new-window externen link in neuem> Regierungserklärung Ministerpräsident Torstens Albigs vom 18. Februar als richtungweisende Ansage eines Einstiegs in eine weitgehend bedarfsgerechte flüchtlingsfreundliche Integrationspolitik.
Dass der Ministerpräsident die Landesregierung daran messen lassen will, ob sich ihre Flüchtlingspolitik - anstatt nur am RechtsGlauben - an "höheren ethischen Werten" auszurichten vermag, ist ein von betroffenen Flüchtlingen wie Unterstützungsinitiativen aufmerksam zur Kenntnis genommenes Signal.
Schon wenn Torsten Albig seine Rede im Kieler Landtag mit der Klage darüber einleitet, dass wer Flüchtlingen an den Südküsten Europas hilft, Gefahr laufe des Menschenhandels bezichtigt zu werden, lässt aufhorchen. Wenn er dann den verständnisvollen Rückblick auf die Not des Kohlenklaus der Nachkriegsflüchtlinge in Schleswig-Holstein lenkt, setzt der Ministerpräsident einen weiteren Kontrapunkt gegen eine aktuelle Bundesinnenpolitik, die, offenbar v.a. von Rachsucht gegen ungebetene Asylzuwanderer und dem Bemühen um populistische Zugeständnisse an Pegida und Andere getrieben, einmal mehr Kirchenasyle zu kriminalisieren und Schutzsuchende als Schmarotzer am Sozialstaat zu diskreditieren sucht.
Wenn der Ministerpräsident den absehbaren Bedarf von 4.000 Erstaufnahmeplätzen im Schleswig-Holstein prognostiziert, sollte aus Sicht des Flüchtlingfsrates dabei nicht auf alte Heerlager zurückgegriffen werden. Die geplante Erstaufnahmeeinrichtung bei Boostedt - in einer Waldkaserne gleich neben einem noch bespielten Bundeswehrschießplatz gelegen - ist eher schlechtes denn nachahmenswertes Beispiel.
Dass die Landesregierung mit dem Ziel von mehr Erstaufnahmeplätzen den Dialog mit Vertretern der Hochschulstädte aufgenommen hat, begrüßt indes der Flüchtlingsrat. Bieten die Campi doch im Kontext vielfältiger Begegnungsmöglichkeiten nicht zuletzt mit Studierenden beste Bedingungen für soziale Interaktion. Darüber hinaus herrschen an den Hochschulstandorten - z.B. mit differenzierten medizinischen Versorgungsangeboten, Beratungsstellen, allgemeinbildenden und beruflichen Schulen, Sprachkursen, Bildungs- und Arbeitsförderungsangeboten - i.d.R. einer nachhaltigen Integration der betroffenen Menschen zuträgliche strukturelle Rahmenbedingungen, wie sie Flüchtlingsrat, Landeszuwanderungsbeauftragter und Wohlfahrtsverbände schon im Oktober 2013 in einem gemeinsamen <link http: www.frsh.de fileadmin pdf external-link-new-window externen link in neuem>Eckpunktepapier insbesondere für die dezentrale Unterbringung eingefordert haben.
"Dass die Landesregierung u.a. mit verstärkten Sozialwohnungsprogrammen, einer verbesserten kommunalen Betreuung, mehr Unterstützung für Traumatisierte, zusätzlichen Lehrerstellen, verstärkten zielgruppenspezifischen Lehrerfortbildungen, der Gesundheitskarte für Flüchtlinge, einer intensivierten Arbeitsmarktförderung und - hoffentlich - der Finanzierung von spezifischer Flüchtlingsberatung ihre künftige Flüchtlingspolitik konkret werden lassen will, ist ohne wenn und aber begrüßenswert", erklärt Martin Link, Geschäftsführer beim Flüchtlingsrat Schleswig-Holstein. Dass gleichzeitig der Bund nicht allein appellatorisch sondern offensiv gegen alle Berliner Widerstände durch die Landesregierung in die rechtspolitische Pflicht für eine flüchtlingsfreundliche Integrationspolitik genommen werden muss, erscheint dem Flüchtlingsrat selbstverständlich.
Der Flüchtlingsrat nimmt das Angebot des Ministerpräsidenten zur Beteiligung an der für den 6. Mai terminierten Flüchtlingskonferenz gern an und wird im Rahmen der Möglichkeiten seine Expertise in die Beratungen einbringen. Alle Ergebnisse dieser Flüchtlingskonferenz werden jedoch Stückwerk bleiben, wenn die erarbeiteten Konzepte und Strategien nur die Schutzsuchenden, die eigenständig zuwandern und die, die mit Blick auf demographische und Arbeitsmarktbedarfe absehbar bleiben (sollen), in den Blick nehmen.
Bei Abschiebungen sei eine Rückkehr in Sicherheit und Würde oberstes Gebot, legt sich Ministerpräsident Albig in seiner Rede vor dem Kieler Landtag fest. "So verstanden wird Schleswig-Holstein keine Abschiebungen vollstrecken, wenn eine Rückkehr in Sicherheit und Würde nicht gewährleistet werden kann?" frohlockt Martin Link. Mit einem auch potentielle Kettenabschiebungsopfer der Dublin-Verordnung einbeziehenden landeseigenen Abschiebungsstopp für afghanische Flüchtlinge, die sich derzeit in akuter Angst vor der zwangsweisen Rückkehr in ihr weiterhin von Gewalt und Überlebensnot beherrschtes Herkunftsland befinden, könnte Schleswig-Holstein den Worten des Ministerpräsidenten erste Taten folgen lassen. Der geltende und für Ende des Jahres erneut avisierte Winterabschiebestopp belegt aus Sicht des Flüchtlingsrats die Machbarkeit.
Schon im Sommer vergangenen Jahres hat Innenminister Studt ein Programm zur humanitären Aufnahme von Flüchtlingen aus dem Irak - insbesondere für vom 'Islamischen Staat' misshandelte und gefolterte yezidische Frauen und Mädchen - gefordert. Seither, leider auch in der Regierungserklärung Torsten Albigs, gibt es zu diesem Thema nichts Neues. Der Flüchtlingsrat erwartet, dass die Landesregierung spätestens mit der geplanten Flüchtlingskonferenz ein eigenständiges oder ein mit Bund und Ländern abgestimmtes Aufnahmeprogramm für vulnerable Gruppen aus dem Irak auf den Weg bringt.
gez. Martin Link
Downloads der Regierungserklärung und der diesbezüglichen Presseerklärungen der im Landtag vertretenen Parteien: