In Schleswig-Holstein leben etwa 367.000 Menschen mit einem Migrationshintergrund, etwa 13 Prozent der Bevölkerung. Bei den unter Dreijährigen sind es rund 25 Prozent. Rund acht Prozent der Ausländer sind als Flüchtlinge gekommen. Die über 11.000 in Schleswig-Holstein lebenden Flüchtlinge sind zu einem großen Teil vom Arbeitsmarkt ausgeschlossen oder ihnen ist der Zugang erschwert. Dabei haben viele von ihnen berufliche Qualifikationen in den Ländern erworben, aus denen sie flüchten mussten. Gerade junge Flüchtlinge sind hoch motiviert, in Deutschland zu lernen und zu arbeiten.
Beschäftigungsverbote, ein “nachrangiger Zugang” zu einer Arbeitsstelle und unbezahlbare Deutschkurse behindern ihre Integration in den Arbeitsmarkt. Dies steht in krassem Widerspruch zu der Konkurrenz deutscher Arbeitgeber um qualifizierte Arbeitskräfte und um Auszubildende. Spätestens ab 2015 wird dieser Mangel als dauerhafter Trend den Arbeitsmarkt in Deutschland verändern. Ab 2020 wird nach einer Studie des Instituts für Arbeitsmarkt und Berufsforschung jeder zehnte Arbeitsplatz in Schleswig-Holstein nicht mehr besetzt werden.
Zwar wird die Anwerbung ausländischer Arbeitskräfte diskutiert. Gleichzeitig besteht jedoch eine hohe Ungleichheit auf dem Arbeitsmarkt: Die Arbeitslosenquote von Nichtdeutschen ist doppelt so hoch wie die der Deutschen. Nur halb so viele ausländische wie deutsche Jugendliche erhalten eine betriebliche Ausbildung.
Eine Hürde ist die mangelnde Anerkennung im Ausland erworbener Berufsabschlüsse. Dadurch sind Arbeitgeber verunsichert und Ausländer werden unterhalb ihrer Qualifikationen beschäftigt oder bleiben arbeitslos. Mit dem neuen “Anerkennungsgesetz” wurden erste Verbesserungen erreicht. Geregelt werden muss jedoch noch die Finanzierung von Anpassungsqualifizierungen, wenn die mitgebrachte Qualifikation vom deutschen Berufsbild abweicht.
Über die Hälfte der 11.000 Flüchtlinge in Schleswig-Holstein hat noch keine sichere Aufenthaltsperspektive. Ihre Integration in den Arbeitsmarkt wird nicht gefördert, sondern behindert.
- Beschäftigungsverbote als Sanktionsmittel der Ausländerbehörden führen dazu, dass Menschen mit einer Duldung vom Arbeitsmarkt ferngehalten werden können - auch eine betriebliche Ausbildung darf nicht begonnen werden.
- Asylsuchende und viele Geduldete haben nur einen “nachrangigen” Zugang zum Arbeitsmarkt. Wenn sie Arbeit finden, dürfen sie nicht gleich beginnen: Erst wenn in einer zeitaufwendigen Prüfung festgestellt wurde, dass keine anderen Bewerber in Frage kommen (Deutsche, Menschen mit Arbeitserlaubnis), darf der Arbeitgeber sie einstellen.
- Auch wenn Flüchtlinge gut qualifiziert nach Deutschland kommen, benötigen sie Sprachkenntnisse, um beruflich tätig zu werden. Im Asylverfahren oder mit Duldung werden Deutschkurse nicht gefördert. Nach dem Asylbewerberleistungsgesetz erhalten Betroffene 40 Prozent weniger Unterstützung als Hartz-IV-Empfänger.
- Das Asylbewerberleistungsgesetz fördert nicht die Arbeitsmarktintegration. Von Integrationsmaßnamen sind Geduldete und Asylsuchende ausgeschlossen, in Schleswig-Holsteinderzeit 4.000 Menschen.
Die Veranstalter betonten, dass es sich auch finanziell lohnt, Arbeitsverbote abzuschaffen, gleichen Arbeitsmarktzugang zu schaffen und Deutschkurse zu finanzieren. Transferleistungen könnten stark vermindert werden. Zudem ist ein Ausweg aus der so genannten Duldung nötig. Die Bundesratsinitiative Schleswig-Holsteins für ein Aufenthaltsrecht für integrierte Geduldete geht in die richtige Richtung.
Begrüßt wurde auf der Tagung die Initiative der Länder Schleswig-Holstein, Mecklenburg-Vorpommern und Nordrhein-Westfalen, sich auf der Integrationsministerkonferenz Ende März für die Öffnung der Integrationskurse für Flüchtlinge einzusetzen. Ebenfalls begrüßt wurde der Vorstoß des Bundesarbeitsministeriums, Flüchtlingen die Möglichkeit zu eröffnen, an berufsbezogenen Kursen mit niedrigeren Sprachkenntnissen teilzunehmen, auch wenn hierfür bundesweit nur 3.000 Plätze jährlich zur Verfügung stehen.
Aus Sicht der Veranstalter reichen diese Schritte jedoch nicht aus, um langfristig die Potentiale von Flüchtlingen und Migranten in Schleswig-Holstein zu nutzen.
gez. i.V. Martin Link, Flüchtlingsrat Schleswig-Holstein e.V.
VeranstalterInnen des Hearings waren:
der Flüchtlingsrat SH, die LAG der Freien Wohlfahrstverbände SH, der Landesflüchtlingsbeauftragte, der Antidiskriminierungsverband SH e.V., das Netzwerk Land in Sicht! - Arbeit für Flüchtlinge in Schleswig-Holstein, das NABI-Projekt access im künftigen IQ-Nertzwerk Schleswig-Holstein, die Türkische Gemeinde SH, die Nordelbische Kirche, die Aktion Kinder- und Jugendschutz SH, der Runde Tisch für Integration FL sowie die Foren für Migrantinnen und Migranten in Kiel und Lübeck.