„Die Internierung von Schutzsuchenden an der deutschen Grenze würde einen zivilisatorischen Rückschritt bedeuten. Es besorgt uns zu sehen, wie Europa momentan von populistischer Abschottungsrhetorik gelenkt wird“, erklärt Martin Link, Geschäftsführer des Flüchtlingsrat Schleswig-Holstein. Ob nur die Unionsparteien glauben, dass Lager – seien es AnKER-Zentren oder Transitzonen – das Allheilmittel der Flüchtlingspolitik sind, steht bis zur möglichen Zustimmung der Koalitionspartnerin SPD noch aus.
Bis dahin gilt, dass zumindest Bundeskanzlerin Merkel und Bundesinnenminister und CSU-Vorsitzender Horst Seehofer Flüchtlinge mit restriktivem, ordnungsbehördlichem Vorgehen daran hindern wollen, in Deutschland Asyl zu beantragen. Schnell Zurückweisungen an süddeutschen Grenzen im Zuge eines nationalen Alleingangs oder Zurückschiebungen im EU-Chor auf Grundlage von bilateralen Abkommen mit EU-Frontstaaten hätten für die betroffenen Schutzsuchenden das gleiche Ergebnis.
Die politische Auseinandersetzung um nationale Grenzkontrollen und die Zurückweisung von Asylsuchenden in andere EU-Staaten weist dabei in vieler Hinsicht irrationale Züge auf: Trotz der niedrigen Zahl der ankommenden Flüchtlinge (41 000 Menschen flohen nach Angaben des UNHCR bislang über das Mittelmeer, 2015 war es eine Million) stellt die CSU ultimative Forderungen nach nationalen Grenzkontrollen. Selbst konservative Verfassungsrechtler wie der Hofjuristen der Bundesregierung <link http: www.deutschlandfunk.de external-link-new-window external link in new>Daniel Thym halten diese für europarechtswidrig.
Durch Kontrollen und Strafen sollen Asylsuchende dazu gebracht werden, in dem Land zu bleiben, in dem sie registriert wurden. Eine dezidiert menschenrechtliche Position hat in diesem Streit kaum noch Chancen, Gehör zu finden. Ganz im Gegenteil: Dort, wo zivile Lebensretter für den Staat einspringen und Flüchtlinge aus Seenot retten, werden wie jüngst gegen den deutschen Kapitän des Rettungsschiffes "Lifeline", Claus-Peter Reisch, schikanöse Strafverfahren eingeleitet.
Abschreckung statt Humanität ist zum neuen Leitmotiv der europäischen Flüchtlingspolitik geworden. Dabei übersehen viele europäischen und deutsche Entscheider*innen allerdings, dass Schutzsuchende vor Krieg und Verfolgung fliehen.
„Wer um sein Leben flieht, zu Fuß durch die Sahara läuft, von Milizen geführte Gefangenenlager in Libyen und die Überquerung des Mittelmeers in nicht seetüchtigen und überfüllten Schlauchbooten übersteht, sollte in Europa nicht weiterer Schikane ausgesetzt werden“, erklärt Martin Link. Mehr Abschreckung wird die Zahl der Schutzsuchenden nicht reduzieren können. Die Abschreckungswirkung der Lager in Europa wird den Terror, den Krieg und die Verfolgung in vielen Herkunftsländern sobald nicht überbieten können.
Deshalb wird zunehmen in Zusammenarbeit mit Regimen in Afrika, die international seit Jahren wegen Menschenrechtsverletzungen am Pranger stehen, die deutsche Entwicklungszusammenarbeit zur Kontrolle oder Verhinderung von Migration instrumentalisiert. Grenzschutz und Rückführungsprogramme sind aber keine legitimen Mittel der Entwicklungszusammenarbeit und Nothilfe, diese sollte zu ihren ethischen und werteorientierten Grundlagen zurückfinden.
Der Flüchtlingsrat Schleswig-Holstein fordert deshalb die Bundesregierung auf, den gestern gefundenen Kompromiss zwischen CDU und CSU sowie ihre auf Abschiebung und Abschreckung abzielende Flüchtlingspolitik unter den Leitgedanken Humanität und Flüchtlingsschutz zu verwerfen. Der Flüchtlingsrat ist überzeugt, dass Ressourcen zur innereuropäischen Grenzsicherung in die zivile Seenotrettung wesentlich besser investiert wären.