Aktuell wird zwischen Bundesregierung und Opposition diskutiert, ob und wie geltende Arbeitsverbote für nach Deutschland geflüchtete Menschen aufgehoben werden sollen. Der Flüchtlingsrat Schleswig-Holstein begrüßt, dass endlich nicht mehr allein rassistische Hetze und Abschottungslogik die flüchtlingspolitische Debatte beherrschen, sondern konstruktive integrationspolitische Vorschläge aus Politik und Kommunalen Spitzenverbänden eingebracht werden.
Laut Medienberichten könnte als Teil eines Deutschland-Paktes zwischen Bundesregierung und der Oppositionsfraktion CDU/CSU auch die im Koalitionsvertrag vereinbarte Abschaffung der Arbeitsverbote für Geflüchtete kommen.
Die Abschaffung von Arbeitsverboten für nach Deutschland geflüchtete Menschen - wie im Koalitionsvertrag versprochen - ist überfällig. Arbeitsverbote grenzen Menschen aus der Gesellschaft aus und passen angesichts des Arbeitskräftemangels in Deutschland auch nicht in die gesellschaftliche Bedarfslage.
"Allerdings sind hier nicht nur neu einreisende Geflüchtete in den Blick zu nehmen", mahnt Martin Link, Geschäftsführer beim Flüchtlingsrat Schleswig-Holstein e.V. Auch bundesweit 300.000 geduldete Geflüchtete leiden unter vielfältigen rechtlichen und bürokratischen Hürden beim Zugang zu Ausbildung und Beschäftigung. "Das ist eine zunehmend auch aus der Wissenschaft hinterfragte Politik, die im Ergebnis viel zu viele Menschen regelmäßig in die Abhängigkeit von Leistungen der öffentlichen Hand zwingt", kritisiert Martin Link.
Absurd seien diese Bürokratismen insbesondere dann, wenn man sich vergegenwärtigt, dass viele für den deutschen Arbeitsmarkt bedarfsgerecht beruflich qualifizierte Fachkräfte unter den Geduldeten sind. Also sollte die Bundesregierung auch direkt die Anerkennung ausländischer Abschlüsse erleichtern und schließlich auch die diskriminierende " Duldung light" abschaffen, die stets mit einem Arbeitsverbot einhergeht.
Die Aufhebung von Arbeitsverboten führt allein aber auch nicht aus der Sackgasse. Selbst wenn sie unter kein Verbot fallen, scheitern zahlreiche Betroffene an einer restriktiven Behördenpraxis bei der Erteilung der jweiligen Arbeitserlaubnis durch eine sich verweigernde Ausländerbehörde. "Das Ordnungsamt ist wegen der regelmäßig fehlenden Kompetenz zur Abwägung arbeitsmarktlicher Belange keinesfalls die für die Ausgabe von Arbeitserlaubnissen richtige Adresse", erklärt Martin Link. Diese Zuständigkeit müsse zurück dorthin, wo sie fachlich auch hingehöre: zu den Arbeitsverwaltungen.
Die Erfahrungen mit zugewanderten Geflüchteten zeigen, dass diese Menschen hoch motiviert, engagiert und erfolgreich sind bei der Integration in den Arbeitsmarkt. Diesbezügliche Erfahrungen kommuniziert das Institut für Arbeitsmarktforschung der Bundesagentur für Arbeit und macht u.a. auch das Beratungsnetzwerk Alle an Bord!, dass in Schleswig-Holstein erfolgreich Geflüchtete in Arbeit und Ausbildung integriert: www.alleanbord-sh.de
All diesen guten und wissenschaftlich basierten Erfahrungen zum Trotz aber scheinen die Parteien sich aber zunehmend von Rechts in einem Wettlauf der Schäbigkeiten gegen Schutzsuchende treiben zu lassen. Aktuelle Debatten und Vorschläge zielen überwiegend auf Abwehr und Abschottung. Grundrechtliche und menschenrechtliche Standards zählen fast nichts mehr. Das zeigt sich von der Zustimmung der Bundesregierung zur Krisenverordnung, über die Bestimmung weiterer angeblich sicherer Herkunftsländer, bis hin zu den Vorschlägen zu mehr Abschiebungen oder der Forderung nach den teuren Sachleistungen für Geflüchtete.
Hintergrund
Arbeitsverbote sind kompliziert gestaffelt: Vollständige Arbeitsverbote bestehen für alle Asylsuchenden während der ersten drei Monate im Asylverfahren. Sie sechs Monaten (für Menschen mit Kindern) bzw. bis zu neun Monaten (ohne Kinder), solange die Betroffenen noch in der Erstaufnahmeeinrichtung wohnen müssen – was bei vielen derzeit der Fall ist. Erst nach Ablauf dieser Fristen oder mit dem Auszug aus der Erstaufnahmeeinrichtung ist für Asylsuchende der Zugang zum Arbeitsmarkt theoretisch offen – außer für Menschen aus den zu "sicheren Herkunftsstaaten" erklärten Ländern. Für diese gilt dauerhaft ein Arbeitsverbot – während des Asylverfahrens und auch nach einer Ablehnung.
Für geduldete Menschen generell gilt eine Frist von sechs Monaten, danach kann die Arbeit erlaubt werden – ein Arbeitsverbot wird aber oft noch individuell als Sanktionsmaßnahme der Behörden ausgesprochen, zum Beispiel bei fehlendem Heimatpass. Es wird statistisch nicht erfasst, wie viele Menschen mit Arbeitsverbot in Deutschland leben. Laut PRO ASYL ist aber mindestens von einer Zahl im hohen fünfstelligen Bereich auszugehen.
Die Aufnahme einer Arbeit scheitert dabei nicht nur an der von der unverständlicherweise zuständigen Ausländerbehörde verwehrten Arbeitserlaubnis. Auch Geflüchtete, die bereits eine Arbeitserlaubnis besitzen, können häufig nicht in dem Bereich tätig sein, für den sie ausgebildet wurden. Dies liegt an den langjährigen und restriktiven Anerkennungsprozessen ausländischer Schul-, Ausbildungs- und Studienabschlüsse. Hier braucht es ein Umdenken und eine kreative Struktur, um ausländische Fachkräfte – zum Beispiel auch ohne Ausbildungszertifikat – den Zugang zum Fachkräfte-Arbeitsmarkt zu gewährleisten. Beispielsweise könnte unter anderem die Industrie- und Handelskammer (IHK), die Ärztekammer oder zentrale Stellen des Bundes Fachkräfte durch Praxisprüfungen anerkennen. Gerade im Handwerk und im Gesundheits- und Bildungsbereich würde dies nicht nur den geflüchteten Menschen zu Gute kommen, sondern auch dem Fachkräftemangel in diesen Bereichen massiv entgegenwirken.
gez. Martin Link, Flüchtlingsrat Schleswig-Holstein e.V.