Inzwischen ist der Krieg, den die russische Regierung gegen die Ukraine am 24. Februar 2022 angezettelt hat, in sein zweites Halbjahr gegangen. Bis dato haben fast sieben Millionen Menschen das Land auf dem Fluchtweg verlassen. Gut 970.000 davon sind nach Deutschland gekommen, etwa 30.000 nach Schleswig-Holstein.
Gleichzeitig aber setzt Europa seinen eigenen Krieg gegen Geflüchtete aus anderen Weltenorten fort. In Form der Verweigerung gegenüber Dissident*innen in Afghanistan, bei der Zustimmung zu opferreichen polnischen, griechischen oder kroatischen Pushbacks gegen Schutzsuchende oder mittels offener Kollaboration mit libyschen Menschenhändlern in Küstenwachengewand.
Und deshalb ist es gut, dass der EU-Rat am 4. März dieses Jahres einen Paradigmenwechsel eingeläutet und beschlossen hat, dass für geflüchtete ukrainische Staatsangehörige eine andere Rechtslage gelten solle. Sie bekommen seither gleich eine Aufenthaltserlaubnis, dürfen wohnen wo sie eine Wohnung finden, haben quasi gleich vollen Sozialhilfeanspruch, Zugang zu Sprachförderung, dürfen studieren oder bekommen Beschäftigungserlaubnisse und Unterstützung bei der baldmöglichsten Arbeitsaufnahme.
Aber diese integrationsorientierte Aufnahme gilt nicht für Schutzsuchende aus anderen Kriegen. Sie gilt nicht einmal für alle Geflüchteten aus der Ukraine.
Denn aus diesem Krieg fliehen auch Drittstaatenangehörige. Sie haben in der Ukraine bisher gelebt, gearbeitet oder studiert und viele sind auf ihrer Flucht mit heftigem Rassismus konfrontiert worden. Wenn solche Black, Indigenous and People of Color (BIPoC) in der Ukraine schon keine unbefristete Aufenthaltserlaubnis hatten, wird ihnen auch hier kein Daueraufenthalt zugestanden. Im Gegenteil. Man droht ihnen, soweit sie nicht ursprünglich aus Eritrea, Syrien oder Afghanistan stammen, mit Ausreiseverfügungen in Richtung ihres Heimatlandes. Für schon in der Ukraine nicht wohlgelittene staatenlose Romnja und Roma sieht die Bleibeperspektive nicht besser aus.
„Es ist fair und humanitär angemessen, dass aus dem Krieg in der Ukraine geflüchtete ukrainische Staatsangehörige hier gut aufgenommen werden und sich ihnen alle Chancen bieten, ihre Zukunft zu gestalten“, erklärt Martin Link, Geschäftsführer beim Flüchtlingsrat Schleswig-Holstein.
Es widerspreche aber den derzeit in der Ukraine vermeintlich zu verteidigenden Europäischen Freiheits- und Menschenrechten, Menschen, die sämtlich aus in gleicher Weise von Unterdrückung, Überlebensnot und Kriegsgewalt gekennzeichneten Ländern kommend bei uns Schutz suchen, nur über den europäischen Herkunftsleisten zu barbieren und daraufhin sozial und rechtlich ungleich zu behandeln.
„An die Opfer der großen und kleinen weltweiten Machtkämpfe je nach nationaler und ethnischer Herkunft gute, nur nachrangige oder gar keine Aufenthalts- und Integrationschancen zu vergeben, ist populistisch und mindestens ein Verstoß gegen den Gleichbehandlungsgrundsatz“, kritisiert Martin Link.
Angesichts der neuen Bundes- und der noch frischeren Landesregierung bestünde aber eine gute Ausgangslage dafür, dass Bund und Länder ausgehend von der Blaupause der für die Ukrainer*innen geltenden Standards, künftig eine bundesweit geltende Rechtslage zu schaffen, die Geflüchteten aus allen Kriegen die gleichen Rechte und gleich gute Chancen einräumt.
Denn Asyl ist Menschenrecht! Und Menschenrechte sind universell und unteilbar!
gez. Martin Link, public(at)frsh.de, T. 0431-55685640