Zum internationalen Tag der Roma am 8. April 2019 spricht sich der Flüchtlingsrat Schleswig-Holstein entschieden gegen die fortdauernde Kategorisierung der Staaten Albanien, Bosnien und Herzegowina, Kosovo, Mazedonien, Montenegro und Serbien als sogenannte sichere Herkunftsstaaten aus.
Der Westbalkan ist vor allem für Romnija und Roma, die dort extremer Diskriminierung ausgesetzt sind, nicht sicher. Romnija und Roma werden regelmäßig vom Arbeitsmarkt ausgeschlossen. Frauen, Männer und Kinder leben in überfüllten Verschlägen, ohne Strom, Wasser und Kanalisation. Ihre Lebenserwartung ist gering. Staatlichen Schutz vor Gewalt suchen sie vergebens. „Die Lebensbedingungen der Menschen in diesen Ländern sind teilweise verehrend. Von Sicherheit für Romnija und Roma kann angesichts von Diskriminierung und gesellschaftlicher Ausgrenzung nicht die Rede sein“, erklärt hierzu Rolf Schlotter vom Landesverband Deutscher Sinti und Roma in Schleswig-Holstein.
Beantragen Menschen aus „sicheren Herkunftsstaaten“ in Deutschland Asyl, werden für sie nur sogenannte Schnellverfahren durchgeführt, im Rahmen derer Fluchtgründe erheblich schwerer vorzubringen sind als in regulären Verfahren. Es besteht kaum Möglichkeit, Beratungen in Anspruch zu nehmen. Von Integrationsförderung ausgeschlossen bleiben Menschen aus sogenannten sicheren Herkunftsstaaten während des Asylverfahrens im Ausreiszentrum in Boostedt wohnverpflichtet.
Dennoch erging in Deutschland 2018 nach Angaben des Bundesamts für Migration und Flüchtlinge in 92 Fällen ein Abschiebeverbot, in 16 Fällen wurde subsidiärer Schutz erteilt, in 11 Fällen wurde die Flüchtlingseigenschaft nach der Genfer Flüchtlingskonvention zuerkannt und in einem Fall erhielt die betroffene Person Asyl nach Artikel 16a Grundgesetz. „Die Zahlen wiedersprechen der Klassifizierung als sichere Herkunftsstaaten und zwar seit Jahren“, bemerkt Martin Link, Geschäftsführer beim Flüchtlingsrat Schleswig-Holstein. „Die oft pauschale Ablehnung von Asylgesuchen von Menschen aus bestimmten Herkunftsländern ist nicht mit Flüchtlingsrechten zu vereinbaren. Am Beispiel der Romnija und Roma sehen wir, wie wichtig die Einzelfallprüfung bleibt“, erklärt Link weiter.
Erschwerend kommt hinzu, dass sich Diskriminierung auch hierzulande fortsetzt: Antiziganismus, der Rassismus gegen Roma und Sinti, ist ein auch in Deutschland weit verbreitetes Phänomen. Oft fällt er mit der verharmlosenden Bezeichnung „Wirtschaftsflüchtlinge“ zusammen. Doch Armut ist nicht selten die logische Konsequenz von politischer und gesellschaftlicher Diskriminierung und Verfolgung „Der Begriff ‚Wirtschaftsflüchtling‘ täuscht über Verfolgung und massive Diskriminierung als Fluchtgründe hinweg“, so Link. Er ziele darauf, den Schutzanspruch von Romnija und Roma in Deutschland zu delegitimieren.
gez. Martin Link, public(at)frsh.de, T.: 0431 55685360