Die Gesetzgebung der Bundesrepublik Deutschland steht seit langem in der Kritik, vielfach aufgebläht, für Betroffene unübersichtlich und kompliziert zu sein. Das Migrationsrecht, insbesondere das Aufenthaltsgesetz (AufenthG) macht da erst recht keine Ausnahme.
Mit einem gemeinsamen Gesetzentwurf der Bundestagsfraktionen von CDU/CSU und SPD „<link https: dserver.bundestag.de btd>Zur Modernisierung der Rechtgrundlagen der Bundespolizei“ (BT-Drs. 19/26541) (siehe die kritische <link artikel stellungnahme-zum-bundespolizeigesetz>Stellungnahme des FRSH v. 22.6.2021) schaffen die Initiatoren diesbezüglich aber eine neue Qualität:
Danach soll u.a. die Zuständigkeit für Abschiebungen und Zurückschiebungen geduldeter „Drittstaatsangehöriger“, bei Feststellung im Zuständigkeitsbereich der Bundespolizei (also etwa in Zügen oder innerhalb eines Streifens von 30 km breite entlang der Staatsgrenze) von den Ausländerbehörden des Landes auf die Bundespolizei übergehen, wenn die Abschiebung innerhalb von 6 Monaten durchführbar ist bzw., bei fehlenden Reisedokumenten, diese „nach Einschätzung der Bundespolizei innerhalb dieser Frist beschafft werden können“. Damit nicht genug, die Zuständigkeit der Bundespolizei soll umgekehrt wieder enden nach Ablauf dieser 6 Monate, bei Auftreten oder Fortbestehen anderer rechtlicher oder tatsächlicher Gründe, oder wenn die oberste Landesbehörde widerspricht.
Anstelle der angestrebten Schnittstellenreduzierung und Verfahrensbeschleunigung schafft der Gesetzentwurf mit dieser Zuständigkeitslotterie das genaue Gegenteil: Denn in nahezu allen Fällen wird bereits eine Ausländerbehörde mit dem Fall betraut sein. An Stelle der Zuständigkeit einer mit dem Einzelfall und den Begleitumständen gut vertrauten i.d.R. kommunalen Fachbehörde dürften sich nun drei Behörden – kommunal, Land und Bund – um die Zuständigkeit streiten.
„Ein beträchtlicher Mehraufwand, Verwirrung und Unsicherheiten bei Betroffenen durch Zuständigkeitswechsel, u.U. widersprüchliche Einschätzungen und Maßnahmen sowie erwartungsgemäß hohe Fehlerquoten bei unklaren Zuständigkeitsübergängen durch Informationsverluste sind vorprogrammiert“, mahnt Axel Meixner, Rechtsberater beim Flüchtlingsrat Schleswig-Holstein.
Hinzu kommt: Vermutlich vertrauen die Initiatoren auf das Inkrafttreten des gleichzeitig im Bundesrat vorliegenden „<link https: dserver.bundestag.de btd>Gesetzes zur Weiterentwicklung des Ausländerzentralregisters“, (BT Drs. 19/28170) das zahllosen Behörden, so auch der Bundespolizei, einen einfachen Zugang zu umfassenden, zentral gespeicherten höchst privaten personenbezogenen Daten ermöglichen soll. Auch dessen Inkrafttreten und Anwendung steht aber aus Sicht der Landesflüchtlingsräte und Pro Asyls (siehe unsere <link aktuell presseerklaerungen presseerklaerung news fluechtlingsraete-und-pro-asyl-sagen-nein-zur-massenhaften-datenspeicherung>PE vom 23.6.2021)aus datenschutzrechtlichen und Gründen der mit dem Gesetz einhergehenden Gefährdungen betroffener Geflüchteter, trotz bereits einmal erfolgter Nachbesserung, sehr in Frage.
Der Flüchtlingsrat Schleswig-Holstein appelliert nachdrücklich an die Landesregierung, sowohl dem Gesetz „Zur Modernisierung der Rechtgrundlagen der Bundespolizei“ wie auch dem „Gesetz zur Weiterentwicklung des Ausländerzentralregisters“ nicht zuzustimmen und im Bundesrat auf eine Ablehnung der Zustimmung auch der anderen Bundesländer hinzuwirken.
gez. Martin Link, Flüchtlingsrat SH, Tel. 0431-5568 5640, public@frsh.de, www.frsh.de