Wie einem Bericht der tageszeitung von heute zu entnehmen ist, hat der Bundesinnenminister de Maizière ab sofort alle Überstellungen von Asylsuchenden nach Griechenland gestoppt und angekündigt, die Zuständigkeit für die Asylverfahren zu übernehmen. Es geht um Fälle, in denen nach der EU-Zuständigkeitsverordnung “Dublin II” eigentlich Griechenland für das Asylverfahren zuständig gewesen wäre. Allerdings können EU-Staaten jedes Asylverfahren aus humanitären Gründen an sich ziehen. Von dieser Möglichkeit hat das Bundesinnenministerium nun Gebrauch gemacht. Damit können Asylsuchende, die über Griechenland nach Deutschland kommen, hier ihr Asylverfahren durchlaufen. Dies gilt für ein Jahr, befristet bis zum 12. Januar 2012.
Der Flüchtlingsrat Schleswig-Holstein e.V. und PRO ASYL begrüßen den Stopp der Dublin-Überstellungen nach Griechenland als längst überfälligen Schritt. “Für die Betroffenen stellt es eine große Erleichterung dar, nun Gewissheit über ihren Verbleib in Deutschland zu haben. Dies ändert nichts daran, dass das EU-Verteilungssystem an der Wurzel krank ist”, sagte Marei Pelzer, rechtspolitische Referentin von PRO ASYL. Es schiebt die Verantwortung für den Flüchtlingsschutz den EU-Staaten an den Außengrenzen zu - ohne hinreichende Würdigung der individuellen Bedürfnisse der Flüchtlinge und ohne Rücksicht auf die Lage in den betreffenden Staaten. PRO ASYL und der Flüchtlingsrat Schleswig-Holstein e.V. fordern eine andere Weichenstellung bei der Verteilung von Asylsuchenden in der EU. Das Dublin II-System muss grundlegend revidiert werden.
"Gerade in Schleswig-Holstein, einem Transitland von und nach Skandinavien, spielt das Dublin II-Verfahren eine große Rolle. Inzwischen machen 3/4 der in Abschiebungshaft in Rendsburg einsitzenden Flüchtlinge sind sog. Dublin II Fälle", so Andrea Dallek vom Flüchtlingsrat Schleswig-Holstein e.V.. Viele von ihnen können nun zunächst aufgrund der Anregung des BAMF, sofort alle allein wegen der Überstellung nach Griechenland in Haft befindlichen Personen zu entlassen, aufatmen.
Mit der nun getroffenen Regelung vermeidet das Bundesinnenministerium ein Urteil des Bundesverfassungsgerichts, das den Betroffenen möglicherweise mehr Rechtsschutz verschafft hätte. In der mündlichen Verhandlung im Oktober hatte das Bundesverfassungsgericht deutlich gemacht, dass es die beschönigende Sichtweise des Innenministers de Maizière auf die Verhältnisse in Griechenland nicht teilt.
Flüchtlingsrat Schleswig-Holstein e.V. und PRO ASYL kritisieren, dass die Laufzeit der Regelung mit einem Jahr zu kurz bemessen ist. Es ist nicht davon auszugehen, dass sich die Lage in Griechenland in einem Jahr derartig verbessert haben wird, dass dann Flüchtlinge dorthin überstellt werden könnten. Seit Jahren dokumentiert PRO ASYL die unhaltbaren Zustände für Flüchtlinge in Griechenland. Es existiert weder ein menschenwürdiges Aufnahmesystem noch werden rechtsstaatliche Minimalstandards in den Asylverfahren eingehalten.
Wir bedauern es, dass die Grundsatzfragen nun ungeklärt bleiben. Sie müssen nun auf europäischer Ebene entschieden werden. Am kommenden Freitag wird der Europäische Gerichtshof für Menschenrechte in Straßburg ebenfalls zu drohenden Überstellungen von Asylsuchenden nach Griechenland im Rahmen des EU-Zuständigkeitssystems Dublin II entscheiden. Außerdem haben mehrere europäische Gerichte das oberste Gericht der EU - den EuGH in Luxemburg - angerufen und um Klärung der strittigen Fragen gebeten.
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gez. Andrea Dallek, Flüchtlingsrat Schleswig-Holstein e.V.
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