Beim gestrigen Treffen der MinisterpräsidentInnen mit Bundeskanzlerin Angela Merkel wurde die Einführung eines 2-Klassen-Asylrechts beschlossen (siehe <link http: www.frsh.de uploads media protokoll_asyl-gipfel_20150618.pdf external-link-new-window externen link in neuem>Beschlussprotokoll im Anhang). Damit sollen Flüchtlinge „aus Herkunftsländern mit einer relativ hohen Anzahl von Asylsuchenden bei zugleich besonders niedriger Schutzquote“ – gemeint sind insbesondere Schutzsuchende aus dem Westbalkan – schneller abgelehnt und abgeschoben werden. In Clustern unter Federführung des Bundes und in enger Zusammenarbeit mit allen Behörden soll „eine maximale Verfahrenseffizienz“ bei optimalem Einsatz der begrenzten Ressourcen erreicht werden. Der Bund kündigt den Ländern effektive Unterstützung bei Abschiebungen an.
Für die geplante Zwischenlagerung der Balkan-Flüchtlinge steht offenbar das bayerische Modell Pate: Den überfüllten Erstaufnahmeeinrichtungen (EAEn) sind faktisch ‚Ausreisezentren‘ zugeordnet, die in ehemaligen Möbelhäusern, Turn- und Lagerhallen und sogar in Eisstadien eingerichtet wurden. Von Sicherheitsdiensten abgeschirmt sollen Betroffene innerhalb weniger Wochen abgefertigt und wieder abgeschoben werden.
Ultimativ erscheint dem Gipfel offenbar das Rezept, unliebsamen Gruppen die Flucht quasi zu verbieten. Einmal mehr haben Bund und Länder die ‘Tinte aus dem Gefrierschrank‘ (Torsten Albig) geholt, mit der sie schon im vergangenen Jahr das Gesetz über die „Sicheren Herkunftsländer“ Serbien, Mazedonien und Bosnien & Herzegowina fixiert haben. Jetzt soll dieser Status auch auf die Staaten Montenegro, Albanien und Kosovo angewendet werden. Opfer dieser Regelung werden einmal mehr insbesondere von gewalttätiger Diskriminierung und anderen Überlebensnöten in diesen Staaten heimgesuchte Roma und andere ethnische Minderheiten sein.
Zu dieser Strategie Lebenschancen selektiv zu vergeben passt, dass die angekündigten Verbesserungen bei den Integrations- und berufsbezogenen Sprachkursen nur für Flüchtlinge mit „guter Bleibeperspektive“ gelten sollen.
„Dass die Ministerpräsidentenkonferenz als flüchtlingspolitisch geboten lediglich die Verlagerung ethnischer Minderheiten in Ausreisezentren, eine selektive Sprachförderung sowie die Ausgrenzung von Kranken einfällt, stattdessen ein Mehr an nachhaltiger Integrationsförderung aber auf die lange Bank schiebt, ist in der Tat der Gipfel“, kritisiert Martin Link, Geschäftsführer beim Flüchtlingsrat Schleswig-Holstein.
Die Anerkennung von im Herkunftsland erworbenen Bildungsabschlüssen soll durch mehr Personal bei der ZAV befördert werden. Aussagen wie der flächendeckende Zugang zu Anerkennungsberatung und Anpassungsqualifizierung für Alle geschaffen und die nachhaltige Arbeitsmarktförderung dort wo die Flüchtlinge wohnverpflichtet sind, gewährleistet werden soll, bleiben die GipfelteilnehmerInnen jedoch schuldig.
Nichts als die Anwendung der schon jetzt bestehenden Rechtslage verbirgt sich hinter der Ankündigung, dass die Bundesländer – anstatt die i.d.R. jungen Menschen gleich mit seriösen Aufenthaltstiteln auszustellen – nunmehr Duldungen ausstellen, die sich auf die Zeit einer angestrebten Berufsausbildung erstrecken sollen.
Wie wenig Substanz in öffentlichen Worthülsen vom humanitär und demographisch gebotenen Paradigmenwechsel zu einer flüchtlingsfreundlichen Integrationspolitik angelegt ist, demonstrieren die Gipfelbeschlüsse zur Gesundheitsversorgung Asylsuchender. Demnach bleibt – trotz deutlicher Mahnung des Bundesverfassungsgerichts – Menschenwürde teilbar: Die beschlossene Gesundheitskarte für Asylsuchende ist lediglich intendiert, Verwaltungskosten zu reduzieren, nicht aber eine gesundheitliche Gleichbehandlung endlich zu ermöglichen. Für Asylsuchende – allzu oft sind dies in Folge von Fluchtgründen und -wegen physisch und psychisch schwer lädierte Menschen – gilt auch weiterhin die menschenunwürdige Reduzierung der Gesundheitsleistung auf akute Schmerzbehandlung.
„Es bleibt zu hoffen, dass die angekündigte Bund-Länder-Arbeitsgruppe zeitnah für eine nachhaltige Flüchtlingsintegration zielführende Ergebnisse liefert - und die asylfeindlichen unter den Gipfelbeschlüssen wieder einfängt“, hofft Martin Link.
gez. Martin Link