Der Flüchtlingsrat Schleswig-Holstein bedauert zutiefst den Tod des jungen Mannes, der am 3. Juli 2018 von Hamburg nach Kabul abgeschoben wurde. Nach einstimmigen Medienberichten hatte der 23-Jährige sich kurz nach seiner Rückführung das Leben genommen. Bereits als Minderjähriger war er nach Deutschland gekommen. Durch die Abschiebung wurde er offenbar in eine ihm ausweglos erscheinende Lage getrieben, in einem Land, in dem er keine sozialen Bezüge hatte und sich ihm außerhalb prekärer Ausbeutung oder Zwangsrekrutierung keine eigenständige Überlebensoption anbot.
Noch am Mittwoch begrüßte der Bundesinnenminister die ungewöhnlich hohe Zahl der nach Afghanistan Abgeschobenen: Ausgerechnet 69 seien es gewesen und das an seinem 69. Geburtstag. Darüber, ob dies Zufall oder ein geschmackloser Geburtstagsgruß der zuständigen Behörden war, kann nur spekuliert werden. In jedem Fall ist die ministerielle unverhohlene Schadenfreude über das Schicksal von 69 Menschen, die auf Geheiß des deutschen Staats aus einem sicheren Zuhause in das von Krieg und Terror zerrüttete Afghanistan verfrachtet wurden, an Geschmacklosigkeit kaum zu überbieten.
„Die Verrohung, mit der momentan in Berlin, in manchen Landeshauptstädten und in den Medien über schutzsuchende Menschen gesprochen wird, ist schockierend. Innerhalb weniger Monate hat sich die politische Klasse in eine Diskussion manövriert, in der der bayrische Ministerpräsident ungeniert das Vokabular der NPD übernimmt“, erklärt Martin Link, Geschäftsführer des Flüchtlingsrats Schleswig-Holstein.
Menschen verrecken auf ihrem Fluchtweg tausendfach in der Wüste oder finden hundertfach in seeuntauglichen Seelenverkäufern ein nasses Grab. Abgeschobene treibt die Verzweiflung in den Suizid. Derweil parliert die Politik in Berlin und Brüssel über vermeintlich griffige Strategien, die Außengrenzen effektiv zu schließen. Die politisch Verantwortlichen müssen sich fragen lassen, was ihnen ein Menschenleben wert ist.
Der Flüchtlingsrat fordert die Landesregierung Schleswig-Holsteins auf, sich auch künftig an Abschiebungen nach Afghanistan faktisch nicht zu beteiligen. Der Flüchtlingsrat schließt sich außerdem der <link https: www.proasyl.de pressemitteilung naechste-abschiebung-nach-afghanistan-steht-bevor>Forderung von Pro Asyl an:
Alle Afghan*innen betreffende Ablehnungsbescheide der vergangenen zwei Jahre müssen auf Basis des neuen Lageberichts des Auswärtigen Amts und seiner alarmierenden Dastellung der im Land bestehenden Rückkehrrisiken neu überprüft werden. Abschiebungen nach Afghanistan sind zu stoppen!
gez. Simone Ludewig, <link>public@frsh.de