Das afghanische Taliban-Regime hatte schon Ende Juli ein sogenanntes "Tugend-Gesetz" beschlossen. Das Justizministerium teilte nun mit, dass unter anderem Verschleierungsvorschriften für Frauen und ein Verbot von Homosexualität Teil der Regelung seien, die jetzt vom obersten Anführer der Taliban, Hibatullah Achundsada, bestätigt worden sind.
Das Gesetz sieht unter anderem ein Burka-Gebot vor, das "muslimische Frauen verpflichtet, ihr Gesicht und ihren Körper zu bedecken", wenn sie sich in Gegenwart von Männern befinden, die nicht direkt mit ihnen verwandt sind. Die weiblichen Stimmen wären intim, heisst es z.B. in Artikel 13 des Gesetzes über Laster und Tugenden, weshalb ihnen verboten sei, in der Öffentlichkeit zu singen, zu rezitieren oder laut vorzulesen. Auch für Männer gelten jetzt gesetzliche restriktive Kleidungsvorschriften und Bartpflicht. Homosexuelle Beziehungen, Ehebruch und Glücksspiel sind verboten.
Die Sittenpolizei kann Verstöße mit Verwarnungen, Drohungen, Geldstrafen, einer Untersuchungshaft von bis zu drei Tagen oder weiteren Sanktionen bestrafen. Im Wiederholungsfall können die Beschuldigten vor Gericht gestellt werden.
"Mit dieser Rechtslage haben die Taliban nun auch den ultimativen formalen Beweis für die in Afghanistan schon seit drei Jahren herrschende Gender-Apartheid geliefert", erklärt Martin Link, Geschäftsführer beim Flüchtlingsrat Schleswig-Holstein. Frauen seien damit endgültig und vollständig aus dem öffentlichen und Arbeitsleben ausgegrenzt, im Privaten interniert und als Alleinstehende einer existenziellen Überlebensnot ausgeliefert.
Der Flüchtlingsrat erneuert seine Forderungen nach
- einer Reanimierung des Bundesaufnahmeprogramms Afghanistan und
- nach einem Afghanistan-Abschiebungsstopp und einem regelmäßigen Bleiberecht für Afghan*innen.
- Die vom Bundesinnenministerium geplanten Vereinbarungen zur Rückübernahme von ausreisepflichtigen Afghan*innen werden als eine völkerrechtswidrige Kollaboration mit einer Terrororganisation abgelehnt.
- Das Asyl-Bundesamt wird aufgefordert, seine restriktive Entscheidungspraxis einzustellen und mindestens für afghanische Frauen den Gruppenverfolgungstatbestand festzustellen und Asylanträge auf dieser Grundlage positiv zu bescheiden.
Hintergrund:
Seit dem fluchtartigen Abzug der alliierten Truppen und der damit einhergehenden der Machtübernahme der Taliban am 15. August 2021 ist die Lage im Land katastrophal und für viele Menschen lebensbedrohlich. Die Taliban haben die Rechte von Frauen und Mädchen in Afghanistan massiv beschränkt. Angehörige der LGTBIQ* Communitiy werden öffentlich ausgepeitscht, im ganzen Land herrscht ein brutales Strafsystem. Taliban verschleppen, inhaftieren, vergewaltigen und bedrohen Menschen, die für die internationalen Kräfte gearbeitet haben. Durch die humanitäre Krise in Afghanistan sind zudem Millionen von Kindern von schwerer Unterernährung und lebensgefährlichen Krankheiten bedroht.
Obwohl die menschenrechtliche und humanitäre Katastrophe in Afghanistan dem Bundesamt für Migration und Flüchtlinge (BAMF) bekannt ist, gibt es zunehmend mehr Ablehnungen von Asylanträgen afghanischer Geflüchteter. Das BAMF sieht zum Beispiel auch bei vorheriger Arbeit für die ehemalige afghanische Regierung nicht unbedingt eine Gefahr für die Betroffenen, selbst wenn Kolleg*innen verschleppt oder getötet wurden. Zudem prüft das Bundesinnenministerium, nach Forderungen von Bund und Ländern, die Möglichkeit der Abschiebungen nach Afghanistan und führt konkrete Gespräche zum Beispiel mit Usbekistan, einem direkten Nachbarstaat, und auch mit den Taliban selbst.
PRO ASYL, Flüchtlingsrat Schleswig-Holstein, die anderen Landesflüchtlingsräte und viele weitere Organisationen fordern in einem gemeinsamen Statement den Erhalt und die tatsächliche Realisierung des Bundesaufnahmeprogramms und die Einhaltung der Schutzversprechen Deutschlands.
gez. Martin Link, T. 0431-735 000, public[at]frsh.de