Auszug aus der Rundmail vom 24.7.2024:
"...aufgrund von wiederkehrenden Nachfragen und Erkenntnissen aus Ihrem Kreis hinsichtlich der (Un-)Zumutbarkeit der Passbeschaffung im Ausland für – in Deutschland aufhältige – afghanische Staatsangehörige teilen wir Ihnen folgendes mit:
Laut dem Bericht über die asyl- und abschiebungsrelevante Lage in Afghanistan (Stand: Juni 2024) vom 12.07.2024 des Auswärtigen Amtes (VS-NfD) steht Afghanistan seit der beinahe kampflosen Einnahme Kabuls durch die Taliban am 15.08.2021 vollständig unter der Kontrolle der islamistischen De-facto-Regierung (Anm. d. Verf.: Islamisches Emirat Afghanistan).
Die an den afghanischen Auslandsvertretungen in Deutschland beschäftigten Entsandten sind noch dieselben, die vor dem 15.08.2021 dort beschäftigt waren. Sie vertreten den Staat Afghanistan und sind nicht den islamistischen Taliban zuzurechnen.
Die Afghanische Botschaft in Deutschland steht weiterhin unter der Leitung von Entsandten der ehemaligen, demokratischen Regierung (Anm. d. Verf.: Islamische Republik Afghanistan) und bietet derzeit weiterhin folgende konsularische Dienstleistungen an:
- Passverlängerung
- Bestätigung von Heiratsurkunden
- Beschaffung von Führungszeugnissen
- Bestätigung von Ledigkeitsbescheinigungen
- Ausstellung von Geburtsurkunden
- Visa
Wenn Antragstellende keine afghanischen Ausweispapiere besitzen, können zwei Zeuginnen oder Zeugen vor den Konsularbeamtinnen und -beamten eine eidesstattliche Erklärung zur Bestätigung der Identität (Anm. d. Verf.: sogenannte „Confirmation of Identity“) der antragstellenden Person abgeben. Die Zeuginnen und Zeugen müssen durch Vorlage ihrer afghanischen Dokumente nachweisen, dass sie afghanische Staatsangehörige sind oder es waren. Ein weiteres Überprüfungsverfahren findet nicht statt. Diese langjährige Praxis wird nach wie vor an allen Auslandsvertretungen angewendet. Hinsichtlich der Beweiskraft dieser sogenannten „Confirmation of Identity“ verweise ich auf meine E-Mail vom 04.01.2024 (Az.: 292-4118/2022-268/2024-2213/2024) nebst Anlagen.
Die Afghanische Botschaft in Deutschland unterhält bisher nach Kenntnis der Bundesregierung keine politischen Kontakte zur De-facto-Regierung des Islamischen Emirats Afghanistan.
Uns wurde vereinzelt zugetragen, dass es afghanischen Staatsangehörigen eigeninitiativ gelungen sei, über die afghanischen Auslandsvertretungen in Teheran, Iran und Islamabad, Pakistan einen afghanischen Nationalpass zu erhalten. Die genannten Auslandsvertretungen befinden sich nach unseren Informationen unter der Kontrolle bzw. Verwaltung des Taliban-Regimes.
Zum Hintergrundverständnis: International hat (weiterhin) kein Staat die De-facto-Regierung als legitime afghanische Regierung anerkannt. Insofern stellten sich die Fragen, ob es sich bei ausgestellten, afghanischen Pässen der o.g. Auslandsvertretungen, die der De-facto-Regierung der Taliban unterliegen, um anerkennungsfähige Pässe i.S.d. §§ 3 Abs. 1, 71 Abs. 6 AufenthG handelt und die Betroffenen dadurch (unter anderem) die allgemeinen Erteilungsvoraussetzungen des § 5 Abs. 1 Nr. 1a (geklärte Identität u. Staatsangehörigkeit) und Nr. 4 (Erfüllung der Passpflicht) AufenthG bewirken können.
Wir haben uns mit dieser Fragestellung an das Bundesministerium des Innern und für Heimat gewandt. Das BMI hat sich dahingehend positioniert, hier keine unterschiedliche Bewertung vorzunehmen, bei bzw. durch welche(r) afghanische(n) Autorität (Islamisches Emirat Afghanistan = Taliban-Regime oder Islamische Republik Afghanistan = ehemalige, demokratische Regierung) ein afghanischer Nationalpass beantragt bzw. ausgestellt wurde. Afghanische Nationalpässe in Form der bisher anerkannten Passmuster werden bis auf Weiteres akzeptiert. Sollten afghanische Autoritäten ein neues Passmuster herausgeben, würde ein solch neues Passmuster vor einer Anerkennung geprüft werden.
Sofern keine (Ver-)Fälschungsmerkmal des jeweiligen vorgelegten, afghanischen Nationalpasses durch Sie festgestellt werden, handelt es sich daher um einen anerkannten Pass i.S.d. §§ 3 Abs. 1, 71 Abs. 6 AufenthG.
Wenngleich die theoretische Möglichkeit besteht, vereinzelt einen afghanischen Nationalpass über die o.g. afghanischen Auslandsvertretungen zu erlangen, vertritt das MSJFSIG weiterhin die Auffassung aus seinem Erlass vom 02.05.2022 (Az.: IV 208 – 292-14/2015-376/2015-UV-31861/2022), wonach die Passbeschaffung für – in Deutschland aufhältige – afghanische Staatsangehörige – auf Grund der fortbestehenden praktischen Unmöglichkeit der Passausstellung seitens der afghanischen Botschaft in Deutschland und der nicht absehbaren Lageentwicklung in Afghanistan – derzeit bzw. auch weiterhin nicht auf zumutbarer Weise möglich ist. Auf den hiesigen Erlass zur Ausstellung von Reiseausweisen für Ausländer für afghanische Staatsangehörige durch die Zuwanderungesbehörden vom 03.08.2023 (Az.: 292-4116/2022-231 64/2022-UV- 82021/2023) und die dortigen Ausführungen wird in diesem Zusammenhang (noch einmal) hingewiesen.
Im Hinblick auf die Identitätsklärung als Voraussetzung für die Erteilung einer Niederlassungserlaubnis nach § 26 Absatz 3 und 4 AufenthG oder aber auch im Rahmen des Einbürgerungsverfahrens sind afghanische Staatsangehörige keinesfalls aufzufordern, sich – zwecks Passbeschaffung zur Identitätsklärung – in den Iran oder nach Pakistan zu begeben; auch entsprechende Befragungen/ „Bitten“, ob die betroffenen Ausländer auf freiwilliger Basis bereit wären, sich in die genannten Länder zu begeben, sollten unterbleiben. Es wird erneut auf die o.g. Bewertung der Unzumutbarkeit der Passbeschaffung für – in Deutschland aufhältige – afghanische Staatsangehörige hingewiesen..."