Der Flüchtlingsrat Schleswig-Holstein protestiert gegen die am 13. Juli in Kiel nach Auskunft des Rechtsanwaltes der Betroffenen in Abstimmung von Landes- und Stadtverwaltung clandestin und gerüstet mit 13-köpfiger Polizeigewalt vollstreckten Rückschiebung einer irakischen Mutter und ihrer schwerstbehinderten kleinen Tochter als Verstoß gegen Menschenwürde und humanitäres Völkerrecht.
"Das schleswig-holsteinische Justizministerium macht sich in diesem Fall ohne Not zum Handlanger einer Kettenabschiebungsprozesses, der via Schweden erwartbar mit der Auslieferung der Betroffenen an den Iraq enden wird." beklagt Martin Link, Geschäftsführer des Flüchtlingsrates in Kiel. Der Flüchtlingsrat und andere Flüchtlings- und Menschenrechtsorganisationen hatte in der Vergangenheit mehrfach auf die restriktive Abschiebungspraxis der schwedischen Behörden gegen irakische und andere Flüchtlinge aufmerksam gemacht.
Flüchtlings- und Menschenrechtsorganisationen im Bundesland stellen sich jetzt die Frage, ob die die Landesregierung mit dieser Maßnahme neun Monate nach Amtsantritt demonstrativ und unmissverständlich klarstellen will, dass es wider allen Behauptungen des eigenen Koalitionsvertrages keine humantären Zugeständnisse in der Flüchtlingspolitik Schleswig-Holsteins geben wird.
gez. Martin Link, Flüchtlingsrat Schleswig-Holstein e.V., Kiel
***ANHANG: Dokumentation der PRESSEERKLÄRUNG der Diakonie SH v. 20.7.2010 13 Polizisten im Einsatz:Irakische Mutter mit krankem Kind aus Kiel abgeschoben Kiel / Rendsburg, 19. Juli 2010. Mit Empörung reagiert das Diakonische Werk Schleswig-Holstein auf die Abschiebung einer irakischen Mutter mit ihrem kranken Kind von Kiel nach Schweden. In Schweden droht ihnen jetzt die Abschiebung in den Irak, aus dem sie 2007 geflohen waren. Der achtjährigen, an Epilepsie erkrankten und mehrfach behinderten Tochter wird künftig die notwendige medizinische Versorgung fehlen. In den vergangenen Monaten war das Kind wiederholt als Notfall in die Universitätsklinik Kiel eingeliefert worden. Die Mutter erlitt auf der Fähre nach Schweden einen Schwächeanfall. Am Abend des 13. Juli waren Mutter und Kind von der Polizei aus ihrer Asylunterkunft in Kiel abgeholt worden. Hierfür waren 13 Polizisten im Einsatz. Von der Abschiebung war zuvor niemand informiert worden, weder die Mitarbeitenden der Asylunterkunft noch das Sozialamt, der vertretende Rechtsanwalt oder die behandelnden Ärzte. Die Polizisten packten die persönlichen Sachen und informierten sich erst telefonisch von der Fähre über die Medikamente, die das Kind benötigt. Nach Informationen des Rechtsanwalts war die Abschiebung zwischen dem Justizministerium Schleswig-Holsteins und dem Landesamt für Ausländerangelegenheiten abgestimmt. “Die Umstände dieser Abschiebung verletzen in eklatanter Weise die Würde und die besondere Hilfsbedürftigkeit einer Mutter mit einem kranken Kind”, erklärte Pastorin Anke Schimmer vom Vorstand des Diakonischen Werks Schleswig-Holstein am Montag (19. Juli) in Rendsburg. “Das Verhalten der Ausländerbehörde ist in diesem Fall zweifelhaft, da die Abschiebung nach Schweden einen Tag vor Ablauf einer sechsmonatigen Frist erfolgte, nach der die Mutter einen Asylantrag in Deutschland hätte stellen können”, so Schimmer. Mutter und Kind waren Ende Dezember 2009 von Schweden nach Deutschland geflohen, nachdem dort ein Asylantrag abgelehnt worden war. In Puttgarden wurden beide von der Bundespolizei aufgegriffen und in eine Asylunterkunft nach Kiel gebracht. Nach der in der EU gültigen “Dublin-II- Verordnung” sollen Asylanträge nur noch im so genannten Erst-Asylland zugelassen sein, in diesem Fall in Schweden. “Schon wegen der besonderen Schwere dieses Falles hätte die Bundesregierung jedoch das Verfahren an sich ziehen und Mutter und Kind in Deutschland Asyl gewähren können”, erklärte Schimmer weiter. Anders als Schweden schiebt Deutschland zurzeit keine Flüchtlinge in den Irak ab. Schimmer wies zudem auf eine grundsätzliche Schieflage der Asylpolitik innerhalb der EU hin: “Die unterschiedlichen Entscheidungen über Abschiebungen in den Ländern führt zu einer europäischen Binnenwanderung, die die Würde der geflüchteten Menschen missachtet, Ängste um Leib und Leben hervorruft und darüber hinaus zu vermeidbarem Aufwand und Kosten führt”. gez. Michael van Bürk, Diakonisches Werk Schleswig-Holstein